Nach der Flucht eines in einer Psychiatrie untergebrachten Straftäters während eines Freiganges läuft die Aufarbeitung. Bei dem Kinobesuch sind dem Klinikdirektor zufolge etliche Fehler passiert.
Nach der Flucht eines in einer psychiatrischen Einrichtung untergebrachten Straftäters bei einem Freigang legt der Bericht der Klinikleitung eklatante Fehler offen. So sei etwa nicht nachvollziehbar, weshalb der Patient bei dem Kinobesuch in Plattling keinen männlichen Begleiter hatte, sagte der Ärztliche Direktor des Bezirksklinikums (BKH) Mainkofen in Deggendorf, Johannes Hamann, bei einer Sitzung des Bezirkstages in Landshut. Der Bezirk Niederbayern ist Träger der Einrichtung.
Hamann hat interimsweise die Leitung der forensischen Abteilung des BKH übernommen, nachdem Chefarzt Johannes Schwerdtner infolge des Vorfalles zunächst bis Jahresende vom Dienst freigestellt worden ist.
Pädophiler in Kinderfilm
Bei dem Freigang am 8. August war ein Patient während eines Toilettenganges entkommen. Neben dem geflüchteten Straftäter waren zwei weitere BKH-Patienten dabei, darunter ein Mann mit diagnostizierter Pädophilie. Weshalb der Freigang ausgerechnet in ein Kino - und zudem in einen Kinderfilm - führte, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar, sagte Hamann. Die Gruppe habe den Film „Alles steht Kopf“ gesehen. Der Sinn dieser Maßnahme sei fachlich wie organisatorisch nicht klar und zudem die Planung des Freiganges nicht ordnungsgemäß dokumentiert worden.
Flucht wie im TV-Krimi
Nach Bezirksangaben begleiteten drei weibliche psychiatrische Fachkräfte sowie eine Praktikantin die drei Männer ins Kino. Es hätte ein Mann dabei sein müssen, der die Patienten gegebenenfalls zum WC hätte begleiten können, so Hamann. „Wir kennen alle die Krimis, wo die Leute beim Toilettengang abhauen, und da war es genauso.“
Weitere Fehler seien nach der Flucht des Mannes passiert, bilanzierte Hamann. Als Mitarbeiter den Vorfall der Polizei meldeten, hätten sie den Flüchtigen „in der Hitze des Gefechts“ und „ohne Rücksprache mit der medizinischen Leitung“ als „akut gefährlich“ eingeschätzt. Diese Einschätzung sei angesichts der Medikation des Patienten falsch gewesen, so Hamann. Zudem habe kein aktuelles Foto des Flüchtigen vorgelegen.
Die Reaktion der Polizei sei aufgrund der gemeldeten Gefährlichkeit aber richtig gewesen, nahm der Klinikdirektor die Polizei in Schutz.
Sicherheitsgefühl wiederherstellen
Zu den Konsequenzen aus dem Fall gehöre, so Hamann, dass immer eine männliche Begleitperson anwesend sein müsse. Außerdem, dass keine Orte aufgesucht werden dürften, an denen sich üblicherweise überwiegend Kinder aufhalten. Zudem sollen Visiten zukünftig immer von einem Oberarzt geleitet werden. Seitens des Innenministeriums und der Polizei habe es den Wunsch gegeben, dass im Falle einer künftigen Entweichung von den Mitarbeitern „professionell reagiert“ werde.
Die Aufarbeitung des Falles und die daraus gezogenen Konsequenzen sollen jedoch künftig derlei Vorfälle verhindern, so der Bezirk. Es sei wichtig, das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung wieder herzustellen.
Der entkommene Patient, der sich aufgrund eines Totschlags im Jahr 2021 im Maßregelvollzug des BKH befindet, war knapp acht Stunden nach seiner Flucht von der Polizei gefasst worden. Er erhält den Angaben nach zunächst keine Lockerungsmaßnahmen mehr.
© dpa-infocom, dpa:240917-930-235321/2
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