Nadejda und Adrian arbeiten hart, damit ihre fünf Kinder nicht hungern müssen. Doch das wenige, was sie haben, teilen sie mit Kindern, Frauen und Alten, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine flüchten mussten.
Zum 32. Mal leuchtet heuer „Ein Licht im Advent“, die Weihnachtsaktion der Passauer Neuen Presse. In diesem Jahr unterstützen Ihre Spenden die Arbeit der Hilfsorganisation Concordia in der Republik Moldau. Hier können Sie direkt online spenden. Alle weiteren Infos und Berichte zur Spendenaktion finden Sie hier auf unserer Sonderseite.
Erst gestern haben Sandu* (2), Mircea (5), Petru (10), Marin (13), Ana-Maria (14) und ihre Eltern Nadejda (38) und Adrian (45) die Explosionen wieder gehört. Es waren nur wenige Donnerschläge. Doch die Familie weiß: Wenn das dumpfe Grollen zunimmt, müssen sie wieder zusammenrücken, wieder alle in einem Raum übernachten, wieder Platz für Kinder, Frauen und Alte machen, die vor russischen Bomben und Raketen flüchten müssen. Die siebenköpfige Familie wohnt in Palanca im Südosten der Republik Moldau, nur der Fluss Dnister trennt sie von der Ukraine. Obwohl sie selbst kaum über die Runden kommen, hat die barmherzige Familie seit Ausbruch des Krieges bereits mehr als 30 Geflüchtete aufgenommen. Jetzt hilft Concordia der helfenden Familie durch den dritten Kriegswinter.
„Uns war sofort klar, dass wir helfen müssen“
Wenige Stunden nachdem die russische Armee am 24. Februar 2022, dem ersten Tag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, die 60 Kilometer entfernte Hafenstadt Odessa bombardiert hatte, kamen in Tudora die ersten verzweifelten Flüchtlinge an. „Es war kalt und die meisten Menschen waren nur mit dem geflohen, was sie tragen konnten. Viele von ihnen hatten weinende Kinder dabei. Uns war sofort klar, dass wir ihnen helfen müssen“, erinnert sich Adrian an den Kriegsausbruch vor fast drei Jahren.
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Er brachte so viele verängstigte und durchgefrorene Geflüchtete in sein Haus, bis niemand mehr reinpasste. Seine Frau Nadejda setzte einen großen Topf Suppe auf, ihre älteste Tochter Ana-Maria bereitete für die erschöpften Ukrainer und Ukrainerinnen ein notdürftiges Schlaflager. Einige von ihnen blieben nur eine Nacht, bis Concordia und andere Hilfsorganisationen ihnen halfen, zu Freunden, Verwandten oder in Aufnahmezentren weiterzureisen, andere blieben länger, eine 70-jährige Ukrainerin lebt auch noch 1015 Tage nach Ausbruch des Krieges bei Nadejda, Adrian und ihren fünf Kindern.
„Wir haben selbst nicht viel, aber das, was wir haben, teilen wir mit denen, die noch weniger haben und vor einem Krieg fliehen mussten, für den sie überhaupt nichts können“, sagt Mutter Nadejda. „Nicht viel haben“ heißt im Fall von Nadejdas Familie: ein Pferd, eine Kuh, zwei Ochsen, zwei Schweine, 20 Gänse, 30 Hühner und einen Garten. Auf dem kleinen Acker hinter ihrem mit großen Rissen überzogenen Haus baut die Familie unter anderem Kartoffeln, Kohl, Zwiebeln, Gelbe Rüben, Kürbisse, Tomaten, Paprika, Gurken und Himbeeren an. Im Herbst ist ihre unterirdische Vorratskammer gut mit eingelegtem Obst und Gemüse gefüllt, doch spätestens am Ende des Winters stehen in den Regalen nur noch leere Einmachgläser.
Dank Pferd Steluca hat der Vater ein Einkommen
Steluca ist der wertvollste Besitz der Familie. Im Frühling spannt Vater Adrian das gutmütige Pferd vor seinen einscharigen Pflug, um die Felder der umliegenden Bauern zu pflügen, im Herbst und Winter zieht Steluca in einem klapprigen Wagen von Adrian geschlagenes Brennholz aus den umliegenden Wäldern. Am Ende eines langen Arbeitstages ist Adrian dann um bis zu 400 Lei (umgerechnet etwa 20 Euro) reicher – und er und sein Pferd sind erschöpft. „Mama und Papa arbeiten sehr hart, damit wir immer etwas zu essen haben und für die Schule lernen können“, sagt Ana-Maria. Während ihre Eltern im Garten, auf dem Feld oder im Wald schuften, passt die 14-Jährige oft auf ihre vier jüngeren Geschwister auf, vor allem den fünfjährigen Mircea lässt sie dabei nicht aus dem Blick. Zu groß ist ihre Angst, dass plötzlich wieder nur das Weiße in den Augen ihres kleinen Bruders zu sehen ist und er in Ohnmacht fallen könnte.
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Vor zweieinhalb Jahren musste dem damals zweijährigen Buben in einer dramatischen Operation in der Hauptstadt Chisinau ein Herzschrittmacher eingesetzt werden, große Narben überziehen seitdem die schmale Brust des blassen Jungen, aber zumindest hat Mirceas Herz seitdem nicht mehr aufgehört, zu schlagen. Den komplizierten Eingriff hat die Krankenkasse übernommen, doch für die vielen Fahrten ins zwei Stunden entfernte Krankenhaus und die teuren Medikamente muss Mirceas Familie selbst aufkommen. Weil die Kosten das, was Adrian und Steluca verdienen können, übersteigt, hilft Concordia der Familie.
„Sie helfen lieber anderen, als Hilfe anzunehmen“
Wenn die Vorräte in der in den kalten Boden gegrabenen Vorratskammer zur Neige gehen, unterstützt Concordia die Familie mit Lebensmittelpaketen und bei Bedarf auch mit Seife, anderen Hygiene-Artikeln und Brennholz, damit die Familie ihr zugiges, nur mit Holzöfen geheiztes Haus auch im langen und kalten moldauischen Winter halbwegs warmhalten kann. Davon profitieren auch der zweijährige Sorin*, dessen Eltern nach Chisinau gezogen sind, um dort Arbeit zu finden, und ein alter Obdachloser. Weil die große Familie es gewohnt ist, zu teilen und zusammenzurücken, haben sie den Jungen und den Alten bei sich aufgenommen.
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„Ich weiß, dass Mama und Papa viel lieber anderen helfen, als selbst Hilfe anzunehmen. Denn eigentlich sind sie dafür viel zu stolz. Aber manchmal geht es einfach nicht ohne die Hilfe von Concordia“, sagt Ana-Maria, als ihre Mutter in die Küche und ihr Vater zum zugigen Plumpsklo im Garten gegangen sind.
Das Bedürfnis, anderen zu helfen, hat sie wohl von ihren Eltern geerbt: Die älteste Tochter: „Wenn ich mit der Schule fertig bin, möchte ich Ärztin werden, um meinen kleinen Bruder und andere kranke Kinder gesund zu machen. Oder Anwältin! Um Menschen zu helfen, die unter der Korruption in unserem Land leiden.“
* Die Namen der Kinder wurden aus Kinderschutzgründen von der Redaktion geändert.
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