Garching
Wie der Oberbayer Reinhard Genzel vom Speerwerfer zum Nobelpreisträger wurde

06.10.2020 | Stand 21.09.2023, 4:07 Uhr

Reinhard Genzel, Astrophysiker am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, feiert seinen Nobelpreis für Physik. −Foto: dpa

Er war in der Junioren-Nationalmannschaft der Speerwerfer - und hat nun den Physik-Nobelpreis gewonnen. Eine Geschichte über das Leben des Garchingers Reinhard Genzel.

Schwarze Löcher gehörten lange zu den größten Rätseln der Astronomie. Der Astrophysiker Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) in Garching bei München hat entscheidend dazu beigetragen, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Er beschäftigt sich mit dem gigantischen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Galaxie. Und er brauchte viel Geduld: Es dauerte mehr als ein Vierteljahrhundert, bis er dort ein gigantisches, supermassereiches, kompaktes Objekt nachwies. Dafür wurde dem 68-Jährigen nun am Dienstag der Nobelpreis für Physik zuerkannt.

Genzel: "Ein paar Tränen waren auch dabei"

Eine Ehre, die den Astrophysiker überraschte, als er an diesem trüben Oktobervormittag in seinem Büro in Garching in einer Videokonferenz war - und das Telefon klingelte. "Da sprach diese Stimme und sagte, "This is Stockholm", erzählte der 68-Jährige. Was für eine Situation. "Viele Nobelpreisträger erzählen einem diese Geschichte und man glaubt es nicht, wenn es kommt." Seine Gefühlslage in dem Moment: sehr emotional. "Ein paar Tränen waren auch dabei."

Vater war ein experimenteller Festkörperphysiker

Wer ist dieser Wissenschaftler, den die Königlich Schwedische Akademie der Wissenschaften nun mit höchsten Ehren bedenkt? Genzel wird am 24. März 1952 im hessischen Bad Homburg geboren. In Freiburg geht er auf ein humanistisches Gymnasium, wie er 2008 anlässlich der Verleihung des Shaw-Preises schreibt. Er lernt Latein und Griechisch: "Vielleicht hat mich das zu einem lebenslangen Interesse an Geschichte und Archäologie geführt." Dass er Physiker wurde, war nicht überraschend. Schließlich war sein Vater ein experimenteller Festkörperphysiker, "und ich habe den größten Teil meiner frühen Physik von ihm gelernt".

1972 für die Olympischen Spiele trainiert

Intensiv treibt Genzel auch Sport - und ist richtig gut. "Bis heute bin ich stolz darauf, einer der besten jungen Speerwerfer Deutschlands gewesen zu sein", schreibt er. "Ich schaffte es sogar in die deutsche Leichtathletik-Nationalmannschaft der Junioren, die für die Olympischen Spiele 1972 in München trainierte."

Nach einer allgemeinen physikalischen Ausbildung an den Universitäten in Freiburg und Bonn promoviert Genzel 1978 am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn. 1976 heiratet er eine Ärztin, das Paar hat zwei Töchter. Viele Jahre arbeitet er in den USA. Seit 1986 ist er Direktor und wissenschaftliches Mitglied am MPE, arbeitet aber auch an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seine Arbeit erregt Aufmerksamkeit und beschert ihm viele Preise, darunter den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (1990) und das Große Verdienstkreuz (mit Stern) der Bundesrepublik Deutschland (2014).

Mitverantwortlich für "Weltklasse-Niveau" der Forschung

Ein Wissenschaftler, der sich vergräbt - das ist Genzel auf keinen Fall, glaubt man denen, die ihn gut kennen. Anton Zensus ist so einer. Der Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn ist dem 68-Jährigen seit mehr als 40 Jahren verbunden. "Ich kenne ihn als hervorragenden Sportler und in seiner Frühzeit als Tischtennisspieler". Vor allem imponiert ihm die Begeisterung, mit der Genzel an die Wissenschaft herangeht. "Er hat die Forschung auch bei der Max-Planck-Gesellschaft so unterstützt, dass wir auf Weltklasse-Niveau mitspielen."



Dieter Breitschwerdt, Astrophysiker von der Technischen Universität (TU) Berlin, beschreibt Genzel als jemanden, der von der Wissenschaft besessen ist, "im positiven Sinne". Das habe er auch von seinen Mitarbeitern erwartet. "Die waren vielleicht nicht immer glücklich darüber. Aber all seine Leute in der Gruppe haben eine gute Karriere gemacht und haben sehr viel gelernt." Zudem habe Genzel immer Fragen gestellt, die an den Kern der Sache gehen. "Er hat weniger Wert darauf gelegt, immer nett und höflich zu sein, sondern war eher wissenschaftlich direkt."

Genzel: "Von nix kommt nix"

Nun hat Genzel guten Grund, zu lachen, was er am Dienstag auch ausgiebig tut. Während er vor der versammelten Presse über seine Forschung redet, stiehlt sich immer wieder ein Grinsen in sein Gesicht. Wissenschaft ist Teamarbeit, darauf weist er immer wieder hin. Und man dürfe sich jetzt nicht ausruhen und einschlafen. "Von nix kommt nix". Die junge Generation müsse am Ball bleiben, hart arbeiten und dann könne es auch weitergehen. Auch auf ihn selbst warten unruhige Zeiten, "dass ich auf allen Dinners erscheinen soll". Aber da gebe es ja noch diese Pandemie. "Da kann ich auch mal sagen, ich komme nicht".

− dpa