Aufräumarbeiten laufen
Nach Hochwasser: Schäden in der Region werden sichtbar

19.07.2021 | Stand 22.09.2023, 1:33 Uhr

Die Bob- und Rodelbahn in Schönau am Königssee ist durch das schwere Unwetter in der Nacht zum 18. Juli durch Schutt und Geröll völlig zerstört worden. −Foto: Peter Kneffel/dpa

Nach der Hochwasser-Katastrophe am Wochenende im Südosten Bayerns, vor allem im Landkreis Berchtesgadener Land, atmen die Menschen jetzt wieder auf.

Unser Liveticker informiert Sie über die aktuelle Hochwasserlage in der Region. Bilder mit Eindrücken der Situation vom Wochenende in Passau und dem Berchtesgadener Land finden Sie in unseren Fotostrecken.



In Schönau am Königssee ist der Klingergraben schuld an allem: Hunderte Kubikmeter Gestein und Geröll haben im Zuge der Unwetter die älteste Kunsteisbahn der Welt zerstört. Ein Murenabgang im Bereich der Klingeralm sei am Samstag abgegangen, habe alle Forstwege zerstört, gar das Bachbett verlegt, sagt der Einsatzleiter der Feuerwehr.

Video: Die Situation im Landkreis Berchtesgadener Land am Wochenende



Der Schaden liegt bei etwa 20 Millionen Euro. Landrat Bernhard Kern, Gutachter, Ingenieure und Geologen machten sich ein Bild von der Großschadenslage. Doch ob der Standort zukunftsfähig ist, ist noch unklar. "Das Unglück ist tragisch", sagt der 87-jährige Max Aicher aus Bad Reichenhall. Seine Firma hat die Kunsteisbahn im Jahr 1968 erbaut. Stolz sei er gewesen, als die Bahn – die erste ihrer Art – damals eröffnet wurde. Dass er nun auf deren Trümmern steht, bekümmert ihn.

Das große Aufräumen steht an

"Wir sind mit Aufräumarbeiten beschäftigt", sagte am Montag ein Sprecher der Feuerwehr Berchtesgaden. Auch die Bundeswehr half mit rund 100 Kräften, Häuser und Straßen von Schlamm, Erde und Geröll zu befreien, außerdem war das Eggenfeldener THW im Einsatz. Nach heftigen Unwettern mit Starkregen waren manche Orte in der beliebten Urlaubsregion rund um Watzmann und Königssee von Wasserfluten und Erdrutschen regelrecht verwüstet worden. Der Katastrophenfall im Landkreis wird am Montag um 24 Uhr aber wieder aufgehoben.

Auch in der Dreiflüsse-Stadt Passau hatte man sich auf Schlimmeres eingestellt. Donau und Inn stiegen jedoch nicht so stark an, wie befürchtet. Am Montag sank dort der Wasserstand der Donau von Stunde zu Stunde und lag um 11.45 Uhr bei 8,03 Metern, weit unterhalb der höchsten Hochwasserwarnstufe von 8,50 Metern. Auch der Inn bereitete keine Sorgen. Einzelne Bereiche der Stadt wurden zwar überschwemmt. Von katastrophalen Zuständen sei man aber zum Glück noch entfernt, sagte ein Polizeisprecher am Montagmorgen. Ähnlich sah es ein Anwohner. "Das ist an und für sich nichts Tragisches mehr." Schließlich sei Passau eine hochwassererfahrene Stadt.

Video: So war die Hochwasserlage am Sonntag in Passau



Anlass zur Hoffnung geben die Wetteraussichten. Bis auf einzelne kurze Schauer soll es in den kommenden Tagen trocken bleiben. Unwetter seien derzeit nicht in Sicht, sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD).

Noch keine Normalität

Doch noch gibt es für viele Menschen etwa in Berchtesgaden, Schönau am Königssee, Ramsau, Bischofswiesen und Markt Schellenberg keine Normalität. Das Hauptaugenmerk liege auf den Aufräumarbeiten und auf den geologischen Untersuchungen. Damit sollen Hänge überprüft werden, ob sie möglicherweise abrutschen könnten.

Flüsse wie die Berchtesgadener Ache hatten sich in reißende Ströme verwandelt. Auch von den Bergen schoss Wasser ins Tal. Häuser liefen voller Wasser und Schlamm, manche drohten gar einzustürzen. Hänge rutschten ab, Teile von Straßen brachen weg, Bahngleise wurden verschüttet oder überflutet. Mehr als 160 Menschen mussten aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht werden. Manche der Gebäude seien noch nicht wieder freigegeben, meldete das Landratsamt, die meisten konnten aber wieder zurück in ihre Häuser. Zudem waren einige Schulen und Kitas am Montag noch zu, öffnen jedoch am Dienstag wieder.

"Hoffe, dass wir das Gröbste hinter uns haben"

Auch andere Flüsse schwollen an, etwa in Oberbayern die Loisach bei Schlehdorf im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen oder die Isar in München. So dramatisch wie im Berchtesgadener Land wurde es jedoch nicht. So überschritt etwa in Neuburg an der Donau das Hochwasser knapp die Meldestufe 3 mit 4,63 Metern. Auch der Landkreis Traunstein ist mit einem "blauen Auge" davongekommen. Hier wagten sich am Sonntag sogar Surfer auf die Alz.

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte mehr Anstrengungen beim Klimaschutz. "Wir brauchen schon einen Klima-Ruck in Deutschland", sagte er am Montagmorgen im ARD-"Morgenmagazin". Das Unwetter mit verheerenden Folgen vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber auch im Südosten Bayerns nannte er einen Weckruf. In Sekundenbruchteilen habe ein Starkregen-Ereignis zu einem "Geröll-, Schlamm- und Muren-Tsunami" geführt.

Der Freistaat sicherte den vom Hochwasser betroffenen Menschen in Südostbayern derweil Hilfe und Unterstützung zu. Am Dienstag werde das bayerische Kabinett beschließen, wie Hilfen aussehen könnten, hatte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Sonntagabend im Interview mit der "BR24 Rundschau" gesagt. Hilfen solle es auch vom Bund geben. "Wir werden diese Menschen dort nicht allein lassen", betonte Herrmann. Es gehe darum, Straßen und Brücken so schnell wie möglich wieder aufzubauen, aber auch betroffenen Familien zu helfen. "Das wird sehr unbürokratisch und schnell erfolgen müssen", machte der Innenminister deutlich. Die Lage am Königssee scheine derzeit stabil zu sein. "Ich hoffe, dass wir das Gröbste hinter uns haben."

− lby/pnp