In den nächsten Monaten
Virologe: So werden sich Corona-Zahlen und Grippewelle entwickeln

17.10.2021 | Stand 22.09.2023, 0:33 Uhr

−Symbolbild: Klose/dpa

Der in diesem Herbst bislang allenfalls milde Anstieg der Corona-Infektionen wird sich in den nächsten Monaten voraussichtlich erheblich beschleunigen.

Das prognostiziert Oliver Keppler, Leiter der Virologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. In den kommenden Monaten sei eine deutliche Verschärfung des Infektionsgeschehens zu erwarten. "Unser Leben verlagert sich nach innen", sagte der Wissenschaftler auf Anfrage. Das von manchen Fachleuten befürchtete Zusammentreffen einer vierten Corona-Welle mit einer gleichzeitigen großen Grippewelle hält Keppler aber für unwahrscheinlich.



Im Münchner Gesundheitsministerium heißt es: "Auch das Wetter hat uns in den vergangenen Wochen im Kampf gegen die Corona-Pandemie geholfen: Es war überwiegend freundlich, und es herrschten oft recht warme Temperaturen." Deshalb hätten sich viele Menschen im Freien getroffen, wo die Infektionsgefahr wesentlich geringer sei als in Innenräumen.

Keppler: Lockerungen versuchen

Trotz des möglichen Anstiegs der Corona-Zahlen rät Keppler nicht zu einer neuerlichen Verschärfung der Maßnahmen: "Grundsätzlich müssen wir in dieser Phase der Pandemie in verschiedenen Bereichen Lockerungen versuchen, um zu sehen, was gut vertretbar ist und wo man noch Hygienemaßnahmen oder Testungen zur Absicherung beibehalten muss."

Keppler verwies auf die "gute Impfquote - das ist der zentrale Baustein - viele Genesene, eine hochwertige Testinfrastruktur und ja, auch ein gutes Verständnis der Übertragungswege des Virus. Situationsbezogene Schutzmaßnahmen zählen natürlich auch dazu." Damit meinen Mediziner etwa den von den meisten Menschen bislang beibehaltenen Verzicht auf das Händeschütteln.

Gesundheitsministerium gibt keine Entwarnung

Die bayernweite Inzidenz war am Freitag zwar im Schnitt wieder über 100 gestiegen, doch gibt es einen großen Unterschied: Bei Geimpften lag diese nach Angaben einer Ministeriumssprecherin am vergangenen Mittwoch bei 26,2, bei Ungeimpften dagegen bei 204,5.

Entwarnung will das Gesundheitsministerium nicht geben: "Wenn die Impfquote nicht hoch genug ist, können wir ein auch exponentielles Wachstum der Fallzahlen nicht ausschließen." Es gehe jetzt darum, gut durch den Herbst und den Winter zu kommen.

"Ich erwarte keine schwere Grippesaison"

Entgegen mancher Befürchtungen steht Deutschland nach Einschätzung des Virologen keine gleichzeitige große Grippewelle bevor. "Ich erwarte keine schwere Grippesaison", sagte Keppler. "Die Grippe wandert alternierend von der Süd- zur Nordhalbkugel und wieder zurück" - immer im jeweiligen Winterhalbjahr.

Doch weltweit seien Influenzaviren in der menschlichen Population durch die Corona-Hygienemaßnahmen weit zurückgedrängt worden. "Auf der Südhalbkugel waren zwei Winter hintereinander kaum Infektionen zu verzeichnen." Dementsprechend ist nach Kepplers Einschätzung auch auf der Nordhalbkugel kein massenhaftes Auftreten von Grippeviren zu erwarten. "Einen effizienten Eintrag des Virus bei uns im bevorstehenden Winter halte ich daher für unwahrscheinlich", sagte Keppler. "Covid-19 muss auch in diesem Winter unser Hauptaugenmerk gelten."

Dennoch sollte die voraussichtlich vergleichsweise entspannte Lage bei der Grippe nach Kepplers Überzeugung für gefährdete Menschen kein Grund zur Sorglosigkeit sein: "Alle Personen, denen die Ständige Impfkommission auch in früheren Jahren die Grippeimpfung empfohlen hat, sollten sich wie zuvor impfen lassen." Dazu zählen unter anderem Menschen ab 60 Jahren, Schwangere, Vorerkrankte und medizinisches Personal.

− dpa