Reisbach
Tierschutzbund: Tierheime übervoll nicht nur wegen Pandemie

16.01.2022 | Stand 21.09.2023, 3:19 Uhr
American Staffordshire Rüde Ace sitzt in einem Gehege im Tierheim Quellenhof Passbrunn. −Foto: Foto: Armin Weigel/dpa/Archivbild

Manche Tierheime in Bayern bekommen so viele Katzen und Hunde, dass sie die Tiere an andere Unterkünfte weiter vermitteln müssen. Sie wissen kaum noch, wohin mit den Tieren. Vor allem in grenznahen Regionen wird es eng mit der Unterbringungen von herrenlosen Vierbeinern, sagt Ilona Wojahn, Präsidentin des bayerischen Landesverbandes im Deutschen Tierschutzbund. Sie hat das Tierheim in Reisbach (Landkreis Dingolfing-Landau) mitgegründet. Allein in ihrer Einrichtung leben zurzeit mehr als 100 Katzen. Und das hat längst nicht nur mit dem Coronavirus zu tun.

Gerade zu Beginn der Corona-Pandemie hatten sich viele Menschen ein Haustier zugelegt. Sei es, um während des Lockdowns weniger alleine zu sein oder weil sie mehr Zeit hatten, das Tier einzugewöhnen. Wochen und Monate später seien viele der Tiere wieder zurückgebracht worden, sagt Wojahn. Allerdings sei hier die Lage in den Tierheimen in Bayern sehr unterschiedlich. Manche hätten zahlreiche sogenannte Rückläufer, andere fast keine. In Reisbach seien lediglich eine Katze und zwei Hamster abgegeben worden, die während des Lockdowns wohl unüberlegt angeschafft worden waren, berichtet die Tierheim-Leiterin.

Sie nennt zwei ganz andere Hauptprobleme: illegaler Welpenschmuggel aus Südosteuropa und nicht-kastrierte Katzen auf dem Land. Die Tiere aus illegalen Transporten seien meist zu jung und in der Regel nicht geimpft. Das bedeute Quarantäne und dass sie vergleichsweise lange in Tierheimen blieben. In einigen Herkunftsländern gebe es zudem noch die Tollwut, die in Deutschland eigentlich so gut wie nicht mehr existiere, berichtet Wojahn. Die Mitarbeiter in ihrem Tierheim seien inzwischen wegen der Tiertransporte gegen Tollwut geimpft.

Die Katzenschwemme habe vor allem damit zu tun, dass gerade in ländlichen Regionen viele Tierbesitzer ihre Katzen nicht kastrieren ließen. Die Tiere vermehrten sich zu stark. "Das ist ein Fass ohne Boden." Kastration sollte bei Freigänger-Katzen Pflicht sein. Von der Politik fordert Wojahn eine bayernweite Katzenschutzverordnung.

Im Freistaat seien jedoch die Kommunen zuständig, mittels Verordnung eine Kastration freilaufender Katzen zu erwirken. Hier sieht Wojahn Probleme bei der Umsetzung. Als positive Beispiele hebt sie die Landkreise Dachau und Pfaffenhofen an der Ilm hervor, die eine solche Verordnung erlassen hätten.

Eine weitere, eigentlich sehr positive Entwicklung bedeute für die Tierheime ebenfalls mehr Aufwand: Die Behörden gingen heute häufiger Verdachtsfällen bei Tierschutzverstößen nach, so Wojahn. Tiere aus Beschlagnahmen belasteten Tierheime aber umso mehr, weil sie oft krank, ungeimpft und verhaltensauffällig seien. Viele der Tiere in Tierheimen seien von Menschen "verkorkst" worden.

Und noch einen Trend stellt Wojahn fest: Wenn Haustiere alt und krank werden - und höhere Kosten beim Tierarzt anfallen - wachse bei den Besitzern die Bereitschaft, ihre Vierbeiner abzugeben. Das Argument sei dann: Die Familie habe eine Tierhaarallergie entwickelt. Glaubhaft sei das häufig nicht.

Einen Appell richtet Wojahn an Menschen, die sich ein Haustier zulegen möchten: Nämlich in ein Tierheim zu gehen und sich nicht einen Hund oder eine Katze via Internet aus dem Ausland zu bestellen. Es gebe hier genug Tiere, die ein gutes Zuhause bräuchten.

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