Köln
Kirchenrechtler: Andere Bischöfe werden nun an Marx gemessen

04.06.2021 | Stand 20.09.2023, 0:20 Uhr
Kardinal Reinhard Marx bei einer Pressekonferenz. −Foto: Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/Archivbild

Der Kirchenrechtler Thomas Schüller hält den angekündigten Rücktritt des Münchner Kardinals Reinhard Marx für einen souveränen Schritt, an dem sich andere Bischöfe nun messen lassen müssten. "Kardinal Marx übernimmt mit diesem aufsehenerregenden Schritt einerseits persönlich Verantwortung für seine persönlichen Versäumnisse als Bischof von Trier und als Erzbischof von München-Freising, was die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch angeht", sagte Schüller am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

"Andererseits testiert er der deutschen Kirche und seinen bischöflichen Mitbrüdern, dass sie an einem toten Punkt angekommen ist. Er wünscht Übernahme von Verantwortung, Umkehr und den Mut zu wirklichen Reformen. Er greift direkt Kardinal Woelki frontal an, wenn er von denen spricht, die sich hinter juristischen Gutachten verstecken und nicht bereit sind, die systemischen Ursachen der sexualisierten Gewalt in der Kirche mit mutigen Reformen anzugehen." Woelki war von einem unabhängigen Gutachter von Pflichtverletzungen freigesprochen worden, müsste nach Meinung vieler Gläubiger aber dennoch zurücktreten, um einen Neuanfang zu ermöglichen.

Die Botschaft von Marx gehe aber auch direkt an Papst Franziskus, sagte Schüller: "Wenn du, Franziskus, Reformen willst, dann bleibt im Blick auf die sexualisierte Gewalt in der Kirche kein Stein auf dem anderen. Sei so mutig wie ich und stoße endlich Reformen an." So interpretiert Schüller die Botschaft von Marx.

"Alle deutschen Bischöfe werden sich nun an dieser souveränen und Größe zeigenden Bereitschaft zum Amtsverzicht und damit zur Übernahme von Verantwortung messen lassen müssen. Kardinal Marx ist für seine Entscheidung großer Respekt zu zollen und zu danken."

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