Staatsanwaltschaft München
Justiz fordert: Russland soll ehemaligen Wirecard-Manager ausliefern

19.04.2022 | Stand 19.09.2023, 22:55 Uhr

Die Münchner Justiz hat sich einem Bericht zufolge auf der Suche nach dem flüchtigen ehemaligen Wirecard-Vertriebschef Jan Marsalek an die russische Regierung gewandt. −Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die Münchner Justiz hat laut "Bild" von Russland die Auslieferung des ehemaligen Wirecard-Managers Jan Marsalek verlangt.



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Bereits vor Ostern habe sich die zuständige Staatsanwaltschaft München mit einem Inhaftnahmeersuchen an die russische Regierung gewandt, berichtete die "Bild"-Zeitung am Dienstag unter Berufung auf Regierungskreise. Die Staatsanwaltschaft erklärte auf AFP-Anfrage, sie könne sich "zu Maßnahmen der internationalen Rechtshilfe nicht äußern".

Die Ermittler verlangen der Zeitung zufolge von der russischen Justiz, den seit zwei Jahren weltweit wegen mutmaßlichen Betrugs gesuchten Marsalek aus einem vom russischen Geheimdienst FSB bereitgestellten Versteck in Moskau zu holen, in Haft zu nehmen und auszuliefern. Das Ersuchen enthalte den genauen Fluchtort Marsaleks aus dem Januar 2021, mit den entsprechenden Koordinaten.

Aufenthaltsort soll bereits seit vergangenem Jahr bekannt gewesen sein

Die "Bild"-Zeitung hatte vor einer Woche berichtet, dass Marsalek in Moskau untergetaucht sei. Demnach soll dieser Aufenthaltsort des früheren Wirecard-Vorstands dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Bundeskanzleramt bereits seit vergangenem Jahr bekannt gewesen sein.

Die deutsche Botschaft in Moskau erfuhr damals laut "Bild", dass ein Förderer der dortigen deutschen Schule ominöse Geschäfte betrieben habe. Der Mann soll mit dem russischen Impfstoff Sputnik V gehandelt, mit einer paramilitärischen Söldnertruppe in Verbindung gestanden und über beste Kontakte nach Österreich verfügt haben - laut "Bild" handelte es sich bei dem Mann um Marsalek. Die Münchner Ermittler seien aber nicht eingeweiht worden, sondern seien erst durch die Enthüllungen der Zeitung auf Marsaleks Aufenthaltsort aufmerksam geworden.

BND habe Kanzleramt informiert

Zwei Münchner Staatsanwälte seien am Dienstag vor Ostern nach Berlin gereist, um in der BND-Zentrale Marsalek-Akten einzusehen, schrieb die "Bild" weiter. Darunter befänden sich ein BND-Bericht aus Moskau und ein weiteres Dokument, das beweise, dass der BND das Kanzleramt über den Fluchtort des Betrügers informiert habe. Auch ein vormaliges Angebot der Russen, dass die deutschen Ermittler Marsalek verhören dürften, befinde sich in diesen Akten. Über dieses angebliche russische Angebot hatte "Bild" bereits vor einer Woche berichtet.

Die Chefetage des Finanzdienstleisters Wirecard soll über Jahre hinweg Scheingeschäfte in Milliardenhöhe verbucht haben, um das damals im Dax gelistete Unternehmen über Wasser zu halten und Kredite zu erschwindeln. Das Unternehmen erklärte sich am 25. Juni 2020 für insolvent. Im Herbst steht die Hauptverhandlung gegen den früheren Wirecard-Chef Markus Braun vor dem Landgericht München I an, auch zwei weitere ehemalige Wirecard-Manager sitzen auf der Anklagebank. Nach Marsalek wird seit dem 22. Juni 2020 gefahndet. Er ist seitdem untergetaucht und wird mit internationalem Haftbefehl gesucht.

− afp