Essstörungen werden seit Ausbruch der Pandemie offenbar vor allem für immer mehr Mädchen und junge Frauen zum Problem.
Anna (Name von der Redaktion geändert) kämpft schon immer mit ihren Kilos. Durch Leichtathletik konnte sie lange ihr Gewicht halten und relativ normal essen. Zumindest bis Corona kam. Wegen des Lockdowns waren Sportstätten geschlossen. Zu Hause war die Atmosphäre angespannt, Annas Eltern waren im Homeoffice. Aber die 16-Jährige fand einen Trost: essen. Einen anderen Ausgleich hatte sie nicht, ihr Hobby konnte sie zu der Zeit nicht ausüben. Als sie merkte, dass sie an Kilos zulegt, steuerte sie sofort dagegen und hungerte. Mittlerweile erbricht sie ihr Essen, damit es nicht auf den Hüften landet.
So wie Anna geht es derzeit vielen jungen Frauen und Mädchen, wie Carolin Martinovic erklärt. Sie ist Sozialpädagogin, Systemische Therapeutin, Systemische Kinder- und Jugendtherapeutin und Mitglied der Geschäftsleitung von Therapienetz Essstörung mit Hauptsitz in München. "Wenn das Mädchen weiterhin ihren Sport hätte ausüben können, der absolut im Rahmen war, hätte sie vielleicht nie eine Essstörung bekommen", sagt sie. Die Pandemie nimmt vielen den Ausgleich, wirkt wie ein Brennglas für Probleme, die normalerweise durch Freizeitangebote und Hobbys im Dunkel geblieben wären. Viele hätten dadurch ein Gefühl von Kontrollverlust, den sie irgendwie kompensieren müssen: "Wenn man die Außenwelt nicht kontrollieren kann, dann kontrolliere ich eben meinen eigenen Körper, mein Gewicht und Aussehen", berichtet Carolin Martinovic.