PNP-Interview
"Aus vollem Herzen": Söder will in Bayern bleiben

25.02.2020 | Stand 21.09.2023, 1:38 Uhr

"Meine Lebensaufgabe liegt in Bayern", sagt Ministerpräsident Markus Söder zu Spekulationen darüber, ob er als Kanzlerkandidat zur Verfügung steht. −Foto: Alexander Kain

Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder hat Spekulationen um seine mögliche Kanzlerkandidatur eine Absage erteilt.

Im Interview mit der Passauer Neuen Presse und dem Ingolstädter Donaukurier sagte er: "Ich bin Ministerpräsident und meine Lebensaufgabe liegt in Bayern." Ihm sei es wichtig, den Menschen in Bayern eine Stabilitätsgarantie zu geben: "Sie müssen wissen, dass es in diesen unruhigen Zeiten in Bayern eine stabile Führung gibt." Zwar wolle sich die CSU in Deutschland einbringen, doch gelte: "Der Parteivorsitzende der CSU und bayerische Ministerpräsident bleibt in Bayern – und zwar aus vollem Herzen."

Im Interview äußert sich Söder auch zum Ringen um den CDU-Vorsitz und bekennt sich zu einer deutlichen Sprache gegen Rechtsaußen. Das komplette Interview im Wortlaut:

Seit der Zeit von Franz Josef Strauß, auch unter Edmund Stoiber und Horst Seehofer, durfte beim Aschermittwoch nie der Hinweis fehlen, dass in Bayern die Minarette nicht höher sein dürften als die Kirchtürme. Verbieten sich derlei Sprüche in diesem Jahr? Vor einer Woche starben zehn Menschen in Hanau. Und Sie selbst warnen, dass aus bösen Reden böse Taten folgen können.
Markus Söder: Wir müssen in der Tat heute sensibler sein. Die Herausforderung ist fundamental. Solche Taten, solche Amokläufe, solche rechte Terrorzellen, die ausgehoben wurden – das hätte sich Franz Josef Strauß nicht vorstellen können. Hass und Hetze verbalisieren sich in unserem Land nicht nur, sie militarisieren sich. Deswegen braucht es andere Antworten als in der Vergangenheit. Ich bin der Ministerpräsident aller Bayern: vom Milchbauern im Allgäu bis zum Handwerker in Aschaffenburg, von der Hebamme auf dem Land bis hin zur Wissenschaftlerin in der Stadt, vom türkischen Facharbeiter bei BMW in Dingolfing bis hin zum indischen Informatiker in München. Alle, die hier leben, haben den gleichen Anspruch auf Schutz. Unsere weltoffene Gesellschaft wird angegriffen – rechte Gruppen wollen einen Bürgerkrieg anzetteln. Als Ministerpräsident werde ich alles dafür tun, dass alle Menschen in Bayern Schutz genießen.

Sie werden also sprachlich abrüsten?
Söder: Im Gegenteil, ich werde sehr deutliche Worte finden – gegen Rechtsaußen. Denn diese schonen keinen. Sie lassen nur eine Meinung gelten – ihre eigene. Und die gilt dann absolut. Es ist unglaublich, was sich in der Anonymität des Internets abspielt. Gemeinsam reden sie sich in einen Rausch und glauben irgendwann sogar, die Mehrheit zu sein und damit die Legitimation zu haben für grundlegende Veränderungen. Daraus können Taten entspringen.

Die Art, Politik zu machen, ändert sich, viel findet heute in sozialen Medien statt. Welche Bedeutung hat der Politische Aschermittwoch noch, dessen Format aus der Nachkriegszeit stammt? Hat er noch Zukunft?
Söder: Der Aschermittwoch ist aktueller denn je: denn jeder, der etwas werden will, pilgert nach Niederbayern und versucht, eine eigene Veranstaltung zu organisieren. Aber das Original ist und bleibt die CSU – mit dem größten Stammtisch der Welt. Ich glaube, der Aschermittwoch bleibt damit auch weiterhin ein fester Bestandteil im deutschen Politikkalender: Nirgendwo sonst gibt es einen vergleichbaren Auftrieb an Politikern und so viel Klartext wie hier.

Welche Themen wollen Sie beim Aschermittwoch in Passau setzen?
Söder: Unserem Land geht es wirtschaftlich immer noch so gut wie nie. Trotzdem sprühen die Menschen nicht gerade vor Optimismus. Realität und Gefühle klaffen auseinander. Der Grund dafür ist, dass wir den Pessimisten und berufsmäßigen Schlechtrednern zu oft die Deutungshoheit überlassen. Hysterie und überzogene Hektik verursachen Unzufriedenheit und Streit – und daraus schlagen sie politisch Profit. Das dürfen wir nicht zulassen. Zugleich gibt es natürlich auch reale Herausforderungen: Wirtschaftlich müssen wir die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie und von Klima und Konjunktur schaffen. Und wir können uns nicht wegducken, wenn internationale Spannungen steigen. Wir müssen uns im Bereich der Sicherheitspolitik stärker aufstellen.

Die CSU musste sich vor gar nicht langer Zeit viele Ratschläge von der Unionsschwester gefallen lassen. Heute sind Struktur und Führung bei der CSU glasklar geklärt. Was sagen Sie zum aktuellen Zustand der CDU?
Söder: Wir sind Schwesterparteien. Und die Parteienfamilie muss zusammenhalten. Mal ist der eine in besserer Form, mal der andere. Wichtig ist, dass die Bande zwischen uns nicht reißen. Nach den großen Auseinandersetzungen im Zuge der Flüchtlingskrise war es wichtig, CDU und CSU wieder zusammenzuführen. Jetzt kommt es darauf an, sie zusammenzuhalten. Dazu müssen Führungsfragen miteinander diskutiert und geklärt werden. Und es ist wichtig, dass ein Kanzlerkandidat gemeinsam bestimmt wird. Für die CDU ist es jetzt wichtig, zu versöhnen – zwischen Ost und West, zwischen der Vergangenheit unter Angela Merkel und dem Neuen, was jetzt kommen wird. Denn Stabilität darf man nicht mit Stillstand verwechseln. Es gibt eine Menge zu tun. Die Bundesregierung hat noch viel Potenzial nach oben. Wir müssen über das Jahr 2021 hinaus denken. Dazu ist es nötig, an Kraft, Tempo und Reichweite zuzulegen.

Was ist die Ursache für den aktuellen Zustand? Die in Wirklichkeit doch völlig bleierne Politik der Kanzlerin? Oder das Unvermögen von Annegret Kramp-Karrenbauer?
Söder: Zugegebenermaßen muss sich die Situation bessern. Sonst könnte die Union ihren Führungsanspruch nach der Bundestagswahl verlieren. Im kommenden Jahr geht es um nichts weniger als die Frage, wer in Zukunft die Nummer eins in Deutschland ist. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte entscheidet sich das nicht zwischen Union und SPD, sondern zwischen Union und den Grünen. Wen die SPD als Kanzlerkandidaten ins Rennen schickt, wird wenig politische Relevanz haben. Spannend wird sein, wen die Grünen zum Kanzlerkandidaten machen. Zurück zur Frage: In 15 Jahren Angela Merkel gab es die eine oder andere schwierige Entscheidung, aber unter dem Strich waren es 15 erfolgreiche Jahre für Deutschland. Wir schulden einer international hoch angesehenen Kanzlerin Dank. Das heißt aber nicht, dass nicht neue Impulse gesetzt werden könnten. Die GroKo leidet von Beginn an unter einer Selbstbeschäftigungstherapie: erst zwischen CDU und CSU, dann die SPD, jetzt hoffentlich nicht die CDU.

Thüringen hat die CDU in eine tiefe Krise gestürzt. Was wäre Ihr Rat gewesen?
Söder: Ich habe hier früh und deutlich Position bezogen. Fest steht, dass hier viel schiefgegangen ist. Das hat nun zu der verfahrenen Situation geführt. Neuwahlen sind die einzige Chance.

Die bürgerliche Mitte hält eine strikte Abgrenzung nach Links wie nach Rechts weiter für notwendig. Gilt für die Union aus Gründen der Opportunität, dass neuerdings linke Extremisten ein bisserl weniger schlimm sind als rechte Extremisten? So könnte man den Kompromiss von Thüringen ja deuten.
Söder: Es kann keine Zusammenarbeit mit der Linken geben. Diese Partei hat ein völlig ungeklärtes Verhältnis zur DDR und ist nicht in der Lage, zuzugeben, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Wer Mauer, Stacheldraht und Stasi relativiert, kann kein Partner sein. Einzelne Funktionäre der Linken werden auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Selbstverständlich kann man DDR und Nazizeit nicht gleichsetzen, die Nazizeit mit dem Völkermord an Millionen Menschen ist einzigartig in der Geschichte. Dennoch: Eine Zusammenarbeit kann es mit den einen wie den anderen für uns als Union nicht geben.

Lässt die Union SPD und Grüne in Thüringen nicht zu gut wegkommen? Denn würden SPD, Grüne, CDU und FDP zusammenhalten, wäre dieser demokratische Block immer noch stärker als die Linken oder die AfD – auch wenn es für eine eigene Mehrheit nicht reichen würde. Stattdessen lässt man es zu, dass SPD und Grüne sich auf die Seite der Linken schlagen.
Söder: Es ist mir bis heute unverständlich, dass die Vorschläge von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die SPD könne doch den Ministerpräsidenten stellen, so schroff abgelehnt wurden. Ich kann ebensowenig nachvollziehen, dass auch die Grünen einen Kandidaten aus ihren Reihen abgelehnt haben. Lieber halten SPD und Grüne stattdessen an der Linken fest. Das lässt für die Bundestagswahl nichts Gutes erahnen. Grün-Rot-Rot wächst immer mehr zu einem linken Bündnis zusammen. In Thüringen fand indes ein demokratisches Vollversagen statt. Da gehen Fehlerketten quer durch alle Parteien und Fraktionen. Und bei der AfD ist natürlich der klare Vorsatz im Spiel, die demokratische Kultur voll an die Wand fahren zu lassen.

Zurück zur CDU: Welche Eigenschaften und Fähigkeiten muss ein CDU-Chef beziehungsweise Kanzlerkandidat mitbringen?
Söder: Das muss die CDU selbst entscheiden. Nach meinem Eindruck sind jedenfalls viele überzeugende Persönlichkeiten im Rennen, ob das nun Friedrich Merz ist, Armin Laschet oder Norbert Röttgen. Ich kenne alle sehr gut und kann mit allen zusammenarbeiten. Die CSU hält sich in Sachen CDU-Vorsitz völlig raus. Was Kanzlerkandidat und Wahlprogramm hingegen angeht, ist es wichtig, gemeinsam zu diskutieren. Denn eines ist doch klar: Ohne die CSU kann keiner Kanzlerkandidat werden. Und: Wir brauchen inhaltlich ein gemeinsames Zukunftsprogramm.

Was muss da drinstehen?
Söder: Wir brauchen zum Beispiel ein neues Energiekonzept. Denn die Energiepreise in Deutschland explodieren. Es drohen zwei Preiszonen und damit wird der Strom im Süden Deutschlands teurer. Das könnte eine massive Schwächung bedeuten. Das können wir als Bayern nicht zulassen. Wir brauchen zudem eine Hightech-Agenda für ganz Deutschland, so wie wir sie in Bayern gemacht haben. Von alternativen Antrieben bei Autos über Luft- und Raumfahrt bis hin zu Künstlicher Intelligenz und Super-Computern muss in Deutschland viel mehr passieren. Und unser Land braucht klare internationale Positionen. Es reicht nicht, wie die Grünen, permanent allen anderen zu predigen, dass sie sich falsch verhalten würden. Der erhobene Zeigefinger zählt auf der internationalen Bühne wenig. Wir müssen diplomatische Antworten geben, aber auch zu Verantwortung bereit sein. Dazu müssen wir die Bundeswehr weiter stärken, insbesondere technologisch. Ich bin skeptisch, für die Nachfolge des Tornado-Jets ältere amerikanische Flugzeuge kaufen zu wollen. Wir sollten eine eigene Airbus-Entwicklung vorantreiben. Franz Josef Strauß hätte eine europäische Flugidee bevorzugt.

Sie haben die Themen Luft- und Raumfahrt auf Ihrer politischen Agenda ganz nach oben gesetzt. Bayern soll zu einem führenden Standort werden. Gleichzeitig deutet sich an, dass Airbus in Manching viele Stellen abbaut.
Söder: Airbus streicht derzeit auch Stellen, weil zu wenig staatliche Aufträge vergeben werden. Und gleichzeitig sollen wir von den USA Modelle einer vergangenen Generation kaufen? Darüber müssen wir in der Koalition reden.

Offensichtlich wirkt die Politik von Donald Trump.
Söder: Die Amerikaner unterstützen ihre Industrie – das sei ihnen zugestanden. Ich bin Transatlantiker und stehe zur westlichen Wertegemeinschaft. Aber die ist keine Frage der Geschäfte, sondern der Werte. Wenn wir also für unsere Bundeswehr Flugzeuge brauchen, dann sollten wir sie auch selbst produzieren können. Da geht es auch darum, Technologiekompetenz im Land zu behalten. Airbus war die europäische Antwort auf die Dominanz von Boeing. Warum sollten wir den Fehler machen, zuzulassen, dass wir in die alte Zeit zurückfallen? Franz Josef Strauß hätte eine Airbus-Lösung auf den Weg gebracht.

Zum Abschluss: Ist eine Kanzlerkandidatur für die CSU gelaufen?
Söder: Ich bin Ministerpräsident und meine Lebensaufgabe liegt in Bayern. Mir ist wichtig, den Menschen in Bayern eine Stabilitätsgarantie zu geben: Sie müssen wissen, dass es in diesen unruhigen Zeiten in Bayern eine stabile Führung gibt. Das heißt nicht, dass wir uns nicht in Deutschland einbringen – wir alle in der CSU wollen, dass Deutschland erfolgreich ist, ebenso Europa. Denn das ist auch das Beste für Bayern. Der Parteivorsitzende der CSU und bayerische Ministerpräsident bleibt in Bayern – und zwar aus vollem Herzen.

Haben Sie heuer beim Aschermittwoch in Passau schon eine gute Nachricht dabei, wenn es um Medizinfakultät, akademische Ärzteausbildung und Uniklinikum Niederbayern geht? Die Region setzt hier immerhin sehr hohe Erwartungen in Sie.
Söder: Das Thema befindet sich im Moment in der zuständigen Arbeitsgruppe von Bernd Sibler. Dem will ich nicht vorgreifen. Wenn die Niederbayern jedoch geschlossen zusammenstehen, dann kann am Ende etwas sehr Positives herauskommen. In diesem Jahr wird gearbeitet und im nächsten entschieden. Beim nächsten Aschermittwoch wissen wir, wie es weitergeht.