PNP-Spendenaktion
Gambia: Eine ausgebeutete Nation

02.12.2019 | Stand 21.09.2023, 4:50 Uhr

Der gewaltige Gambia-Fluss prägt das kleine gleichnamige Land in Westafrika. An beiden Ufern leben Menschen – meist in bitterer Armut und großem Elend. −Fotos: Hedemann

Gambia steht auf dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen auf einem der hintersten Plätze. Warum kämpft die westafrikanische Republik mit so großen Problemen? Ein Länderporträt.

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"Ich will hier weg. Überall ist es besser als in Gambia. Es gibt hier keine Perspektive für junge Leute wie mich. Ich weiß, dass ich auf der Flucht sterben kann. Aber ich bin bereit, das Risiko einzugehen." – "Ich habe früh meine Eltern verloren. Aber ich habe im SOS-Kinderdorf eine gute Familie und ein neues Zuhause gefunden. Ich gehe zur Schule und lerne viel. Später will ich helfen, mein Land aufzubauen. Noch ist Gambia arm. Aber hier leben gute Menschen. Zusammen können wir es schaffen."

Ein Land, zwei Antworten, die wir während unserer Recherche in Gambia gehört haben. Viele Jugendliche sehen in der gefährlichen Flucht durch die Sahara und über das Mittelmeer ihre einzige Chance. Viele Kinder, denen "SOS-Kinderdörfer weltweit" Liebe, Bildung und Ausbildung gibt, sehen sich hingegen gut für das Leben im kleinsten afrikanischen Festlandstaat gewappnet. Sie wollen helfen, das Land, das im Entwicklungsindex der Vereinten Nationen auf dem 174. von 189 Plätzen steht und eine der höchsten Flucht- und Migrationsraten der Welt hat, zu entwickeln. Aber warum ist das kleine Land, das kaum größer als Niederbayern ist, so arm? Warum wollen so viele der rund zwei Millionen Einwohner es verlassen?

Es liegt vor allem an seiner Geschichte und seiner Geografie. Das westafrikanische Land besitzt kaum Bodenschätze, hat kaum Industrie. Tourismus, Fischerei und Landwirtschaft sind die Haupterwerbszweige. Doch die Landwirtschaft, in der rund 70 Prozent der Bevölkerung arbeiten, ist äußert unproduktiv. Die Erträge der kleinen Farmen reichen oft kaum zum Überleben, die meisten Felder sind nicht bewässert, und durch den Klimawandel nehmen Dürren und zerstörerischer Starkregen zu.

Über Jahrhunderte wurde die ehemalige britische Kolonie, die sich auf einem schmalen Streifen auf beiden Seiten des gewaltigen Gambia-Flusses erstreckt und abgesehen von einer 80 Kilometer langen Atlantik-Küste auf allen Seiten vom 20 Mal größeren Senegal umgeben ist, ausgebeutet. Unter anderem Sklaven und Erdnüsse verließen auf Segelschiffen das geschundene Land.

Diktator Jammeh führte das Land in die Isolation

1965 wurde Gambia unabhängig, doch auch einheimische Herrscher behandelten das in die Freiheit entlassene Land wie ihr Privateigentum. 1994 putschte sich der damals 29-jährige Leutnant Yahya Jammeh an die Macht. Viele Staaten – auch Deutschland – stellten daraufhin die staatliche Entwicklungszusammenarbeit mit Gambia ein, das Land wurde international zunehmend isoliert und immer stärker von den Überweisungen ausgewanderter Gambier abhängig. 2016 wurde Jammeh, der von sich behauptete, unter anderem Aids, Asthma und Diabetes durch Handauflegen heilen zu können und der eine Vorliebe für junge Frauen und teure Autos hatte, abgewählt. Doch erst der Einmarsch senegalesischer Truppen brachte den Diktator schließlich dazu, sich ins Exil nach Äquatorialguinea abzusetzen. Zuvor hatte er noch die Staatskasse geplündert.

Seitdem wird Gambia vom gewählten Präsidenten Adama Barrow regiert. Die neue Regierung ließ alle politischen Häftlinge frei, hob die Pressezensur auf, arbeitet derzeit an einer neuen Verfassung, setzte die von Diktator Jammeh wiedereingeführte Todesstrafe aus und eine Wahrheits- und Versöhnungskommission ein. Doch vor allem machte sie sich daran, neue Jobs für die junge, oft arbeitslose Bevölkerung zu schaffen. "Wir tun, was wir können. Aber die von der Vorgängerregierung geerbten Probleme sind groß und die Erwartungen der Bevölkerung riesig. Vielen kann es jetzt nicht schnell genug gehen", sagt Vizepräsidentin Isatou Touray im Gespräch mit der Passauer Neuen Presse.

Nach Angaben der Vereinten Nationen leben zwei Drittel der Bevölkerung immer noch von weniger als 2,80 Euro pro Tag. Die Lebenserwartung liegt bei 61 Jahren, 65 von tausend Kindern sterben, bevor sie ihren sechsten Geburtstag feiern können (in Deutschland sind es weniger als vier), ein Viertel der Jungen und Mädchen unter fünf Jahren ist mangel- oder unterernährt, 597 von 100000 Müttern sterben bei der Geburt ihres Kindes (in Deutschland sind es sieben). Malaria und andere tropische Krankheiten sind in Gambia weit verbreitet. Trotzdem kommt auf 10000 Menschen gerade einmal ein Arzt (in Deutschland sind es 44).

Zwar ist der Besuch der Grundschule im überwiegend muslimischen Land kostenlos, doch viele Eltern können sich Schuluniform, Stifte und Hefte nicht leisten. Jedes vierte Kind verlässt die Grundschule deshalb ohne Abschluss, nur gut die Hälfte der Bevölkerung kann lesen und schreiben.

Neue Regierung verbucht erste Erfolge

Doch die neue Regierung kann auch schon erste Erfolge verbuchen. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds wuchs die Wirtschaft im Jahr 2017 um rund 3,5 Prozent. Der Tourismussektor, die größte Einnahmequelle des Landes, boomt. In der Saison 2017/18 kamen so viele Besucher wie nie zuvor an die "Smiling Coast of Africa" (Küste des Lächelns). Doch die meisten von ihnen sehen kaum jene andere Welt, die in Gambia unmittelbar hinter den Zäunen der luxuriösen Hotels beginnt und in der die meisten Menschen nicht viel zu lächeln haben – und es dennoch oft tun.

In den nächsten Wochen werden wir Ihnen von diesen Menschen, die viel durchgemacht und dennoch nie aufgegeben haben, erzählen. Sie, liebe Leserinnen und Leser, können den Menschen, die uns ihre Geschichte erzählt haben, mit Ihrer Spende helfen. Unser Kooperationspartner, "SOS-Kinderdörfer weltweit", wird dafür sorgen, dass Ihre Hilfe genau dort ankommt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.