Augsburg
Verteidiger bezeichnen Anklage im "Gülle-Mord" als reine Spekulation

15.10.2019 | Stand 15.10.2019, 12:17 Uhr

Ein Angeklagter (M) sitzt neben seiner Anwältin Martina Sulzberger (r) in einen Gerichtssaal des Strafjustizzentrums. Der Bauer aus Nordschwaben steht seit Dienstag vor dem Landgericht Augsburg, weil er seine Ehefrau bewusstlos geschlagen und sie dann mit Gülle übergossen haben soll, bis sie erstickte. Der Mann bestreitet die Tat. −Foto: dpa

Es ist ein gruseliges Verbrechen, dass das Augsburger Landgericht verhandelt. Ein Bauer kippt seiner Ehefrau so lange Gülle ins Gesicht, bis sie tot ist. Doch ist diese Tat wirklich passiert? Die Verteidiger sehen das ganz anders.

Hat ein Bauer seine Ehefrau mit Gülle umgebracht - oder sitzt der Mann seit mehr als einem Jahr unschuldig in Untersuchungshaft? Diese Frage muss das Landgericht Augsburg in den kommenden drei Monaten in einem Mordprozess klären. Zu Beginn der Verhandlung am Dienstag ließen die vier Verteidiger des 55 Jahre alten Landwirts kein gutes Haar an den Ermittlungen von Kripo und Staatsanwaltschaft. Die Anklageschrift sei "wenig präzise", kritisierte Rechtsanwalt Peter Witting. "Es ist alles offen, was passiert sein soll." Bei der Schilderung des Verbrechens werde einfach nur "spekuliert".

"Tatopfer insbesondere im Bereich des Gesichts mit Gülle übergoss"

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft hingegen ist der "Gülle-Mord" im September 2018 auf dem Hof im nordschwäbischen Wallerstein (Landkreis Donau-Ries) passiert. Der beschuldigte Deutsche soll damals seine Partnerin erst bewusstlos geprügelt haben. Danach habe er der Frau Gülle beigebracht, "wohl indem er das auf dem Rücken liegende Tatopfer insbesondere im Bereich des Gesichts mit Gülle übergoss", heißt es in der Anklageschrift. Dadurch sei die 51-Jährige wie geplant erstickt.

Als Motiv vermuten die Ermittler, dass der Ehemann das gemeinsame Vermögen des Paares für sich allein haben wollte, weil seine Frau die Scheidung geplant habe. Deswegen habe der Mann auch bereits knapp 45 000 Euro bar in seinem Auto versteckt und weitere rund 87 000 Euro im Haus.

"Ehe seit vielen Jahren nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft"

Zu diesen Vorwürfen äußerte sich der Mann zunächst nicht selbst in dem Prozess, er ließ seine Anwälte reden. Die wollten auch gar nicht abstreiten, dass die Partnerschaft alles andere als gut war. "Es ist richtig, dass die Ehe seit vielen Jahren nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft war." Zu dem Zeitpunkt des Todes der Frau sei alles wie immer bei den Eheleuten gewesen, führte Witting aus - "wie immer schlecht".

Nach den Schilderungen der Anwälte führte das Paar den Hof im Nebenerwerb. Der Mann sei schon lange der Ansicht gewesen, dass sich seine Frau zu wenig um die Landwirtschaft kümmere und habe ihr zuletzt auch kein Haushaltsgeld mehr gegeben.

Das Geschehen an der Güllegrube ist nach Überzeugung der Verteidiger aber nur ein "schlichter Unfall" gewesen. Die dreifache Mutter sei selbst in die Grube gestiegen, sei dort vielleicht auch wegen gesundheitlicher Probleme in die Gülle gestürzt und habe sich dann noch ins Freie retten können, wo sie gestorben sei.

Erhebliche Zweifel an dem angenommenen Tatablauf

Einen ersten Teilerfolg konnten die Verteidiger bereits verbuchen. Das Gericht ließ am Dienstag den Chef des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin, Professor Klaus Püschel, als zusätzlichen Sachverständigen für das Verfahren zu. Die Anwälte hatten Püschel benannt, um die auf Basis des Gutachtens der Münchner Rechtsmedizin erstellte Anklage zu widerlegen. In einer ersten Stellungnahme vor dem Prozess hatte Püschel bereits erhebliche Zweifel an dem angenommenen Tatablauf vorgetragen.

Die Strafkammer hat zunächst 14 weitere Verhandlungstage geplant, um den Tod der Frau aufzuklären. Das Urteil wird im Januar 2020 erwartet.

− dpa