Landshut
Warum ein DTM-Meister mit Lenkrädern aus Landshut trainiert

24.09.2019 | Stand 21.09.2023, 21:47 Uhr
Alexander Schmid

Mittlerweile Marktführer bei Produkten für Renn-Simulatoren: Thomas Jackermeier, Vorstandsvorsitzender und Gründer der Endor AG, vor den Lenkrädern. (Foto: Schmid)

Die Endor AG in Landshut entwickelt Steuerkonsolen für Rennsimulationen und erlebt einen Boom. Mittlerweile hat sie Lizenz-Verträge mit der Formel 1 und dem US-Motorsportverband Nascar.

"Das sind keine Spielzeuge", sagt Thomas Jackermeier und schaut mit einem Lächeln auf die Produkte, die an der Wand im Besprechungszimmer der Endor AG in Landshut hängen. "Die könnte man nehmen, in ein Rennauto stecken und losfahren", schwärmt der Vorstand der Aktiengesellschaft. Ein Steuerrad von McLaren hängt da zum Beispiel. Auch für Porsche, BMW oder Rennställe, die in den großen Rennserien weltweit unterwegs sind, stellt die Endor AG High-Tech-Wunderwerke her, mit denen Rennboliden gesteuert werden - könnten. In echte Rennautos werden die Lenkräder aus Landshut aber nie montiert. Es sind Steuereinheiten für Rennsimulationen am Computer. Simracing heißt das. Der Markt boomt gerade.

Heuer schon 40 Leute eingestellt

Die großen Autohersteller haben die virtuellen Autorennen mittlerweile als wichtiges Marketingwerkzeug erkannt, um die junge Generation für Autos zu interessieren. Auch mit den großen Rennserien ist die Endor AG im Geschäft. Die Landshuter haben Verträge mit der Formel 1 und jüngst mit dem US-Motorsportverband Nascar abgeschlossen.
"Wir haben im ersten Halbjahr rund 70 Prozent Umsatzwachstum. Allein heuer haben wir 40 Leute eingestellt", sagt der 49-Jährige. 16,7 Millionen Euro setzte die Endor AG in den ersten sechs Monaten heuer um.

Und man ist händeringend auf der Suche nach Personal. Softwareentwickler, Elektroniker aber auch PR-Manager braucht das Team in Landshut. Mittlerweile verteilt sich die Endor AG in der niederbayerischen Bezirkshauptstadt auf vier Gebäude. Eine große Zentrale soll demnächst im Westen der Stadt entstehen. Es geht steil bergauf.
Das war nicht immer so. Es gab schwierige Zeiten, da sah es gar nicht gut aus. Endor stellte damals noch anderes PC-Zubehör her, Joysticks und Computermäuse zum Beispiel. Qualitativ sehr gute Produkte, doch die Konkurrenz war groß und mächtig. "Es gab Zeiten, da saßen wir nur zu zweit hier", erinnert sich der Landshuter.

Unter dem Namen Fanatec weltweit bekannt

Ein Strategiewechsel brachte Jackermeiers Baby dann auf die Erfolgsspur. "Wir haben uns nur noch auf Lenkräder und Controller für Rennsimulationen konzentriert." Verkauft werden die High-Tech-Produkte, die unter dem Namen Fanatec weltweit bekannt sind, auch nicht mehr in großen Elektronikmärkten. Bestellen kann man die Produkte, die einen dreistelligen Betrag kosten, nur noch über das Internet. "Das war die beste Entscheidung ever", sagt Jackermeier und lehnt sich entspannt zurück. Kein Wunder: Die Bestellungen, die jeden Tag in der Landshuter Zentrale, in der mittlerweile 76 Mitarbeiter aus 28 Nationen beschäftigt sind und in der englisch gesprochen wird, eintreffen, sind anhaltend hoch. In der ganzen Welt betreibt Endor vollautomatisierte Warenlager, die die Produkte an die Empfänger versenden. Produziert wird in China.

"Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht", erzählt der studierte Diplom Betriebswirt und erinnert sich an die Anfänge. Ein leidenschaftlicher Zocker von PC-Games war er schon immer. Vor allem die Rennspiele hatten es ihm angetan. Auf der Computermesse "Cebit" kam er dann in den 90er Jahren zufällig in Kontakt mit einem chinesischen Lieferanten. Der hatte ihn gefragt, ob er ihm helfen könnte, seine Produkte zu vertreiben. Ein Treffen wurde vereinbart, "dann kam der Chinese nach Landshut", so Jackermeier. Zunächst arbeitete der Niederbayer in der Niederlassung des Unternehmers in München. Nach einigen Jahren kaufte er dem asiatischen Unternehmer dessen deutsches Tochterunternehmen ab. 1998 ging "Fanatec" mit einer kompletten Produktpalette für PC und High-End Lenkrädern für Videospielkonsolen auf den Markt.

"Im Fahrschulbereich sind Simulatoren stark im Kommen"

Daraus wurde schließlich die Endor AG. Im Januar 2001 fand die Markteinführung des ersten europaweit von Sony Computer Entertainment Europe lizenzierten Lenkrads für die PlayStation 2 statt. 2006 erfolgte dann der Gang an die Börse. Jetzt ist die Endor AG führend im Bereich Simracing-Ausstattung und nicht nur dort. Längst hat die Endor AG einen neuen Markt entdeckt. "Im Fahrschulbereich sind Simulatoren stark im Kommen", sagt Jackermeier. Für Fahrschulen sei es wesentlich günstiger und stressfreier, mit ihren Schülern die ersten Fahrversuche virtuell zu absolvieren.

Überhaupt könne man die Simulationen nicht mehr mit den Videospielen von früher vergleichen, so Jackermeier. "Die Rennstrecken werden mittlerweile mit einem Laser für die Software abgetastet. Jeder Riss im Asphalt wird registriert, das ist absolut realistisch", sagt er. Das ist auch der Grund, warum mittlerweile Stars wie DTM-Meister René Rast tagtäglich im digitalen Rennauto mit Fanatec-Lenkrädern trainieren. Teilweise würden eingefleischte Simracer bei Tests in echten Fahrzeugen sogar besser abschneiden als geübte Rennfahrer.

Und trotzdem: Das Gefühl der Beschleunigung in einem Boliden ist einmalig. Das weiß auch Jackermeier. Wohl auch der Grund, warum er seinen Angestellten demnächst ein besonderes Erlebnis gönnen will. Der Vorstand der Endor AG will für die Firma einen Rennwagen anschaffen. Mit dem sollen die Simracing-Freaks von Endor dann über die Nordschleife brettern. Klar ist auch: Fahrfehler können da nicht durch einen Neustart des Programms ausgebügelt werden.