Starnberg
Landratsamt will Klavier einziehen - weil die Tasten aus Elfenbein sind

11.04.2019 | Stand 11.04.2019, 11:40 Uhr

Ein Flügel der Wiener Klavierfabrik Bösendorfer steht im Wohnzimmer der Familie Zeitler. Aber die Klaviatur macht Probleme. Das Landratsamt Starnberg will sie einziehen. Denn die Tasten sind aus Elfenbein - und der unterliegt dem Artenschutz. −Foto: Sina Schuldt/dpa

Es ist ein teures Instrument - der "Lebenstraum" seines Vaters, sagt Josef Zeitler. Jahrzehntelang stand der Flügel im Wohnzimmer der Familie im Raum Starnberg. Niemand machte sich Gedanken um die Tasten. Auch nicht, als Zeitler gut 20 Jahre nach dem Tod des Vaters beschloss, das edle Instrument zu verkaufen. "Ich habe ihn jedes Jahr stimmen lassen, damit er nicht kaputt geht", sagt Zeitler. Aber: "Bei uns spielt keiner den Flügel." Schade um das schöne Stück.

Ein Klavierbaumeister nahm sich der Sache an - und fand einen Käufer in der Schweiz. Damit begann der Ärger, der den Pferdezüchter nun seit zwei Jahren begleitet. Denn die Tasten des Flügels sind aus Elfenbein. Die Ausfuhr ist ohne eine EG-Vermarktungsbescheinigung verboten - Artenschutz. Der Klavierbauer beantragte die Bescheinigung. Doch das Landratsamt Starnberg erteilte sie nicht. Weil schon die Suche nach einem Käufer als Vermarktung gilt, wurde die Klaviatur praktisch über Nacht illegal. Das Landratsamt will sie deshalb nun einziehen. Am Donnerstag befasste sich das Verwaltungsgericht München mit dem Fall.

Das Ergebnis: Der Streit geht weiter. Die Richter gaben dem Landratsamt am Donnerstag bis Ende Mai Zeit, sich mit dem Bundesamt für Artenschutz abzusprechen, wie stark die Beschläge aus Elfenbein geschützt seien. Davon hänge ab, so das Gericht, ob die Behörde überhaupt die Tastaturbeschläge von dem Flügel entfernen dürfe. Mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht wehrte sich Zeitler gegen einen Bescheid der Starnberger Naturschutzbehörde, die die Beschläge der Klaviatur abtragen will.

Genehmigung des Bundesamtes für Naturschutz erforderlich

Im Grunde, so sagt Zeitler, gehe es nur um einen Verfahrensfehler. Man hätte zuerst die Papiere haben und dann einen Käufer suchen müssen. Nur Klaviere mit Elfenbeintasten aus der Zeit vor 1947 dürfen nach der EU-Regelung für den Elfenbeinhandel ohne Bescheinigung innerhalb der EU gehandelt werden. Dieses Klavier wurde 1983 gebaut. Zum Verkauf in die Schweiz bräuchte es neben der EG-Bescheinigung auch eine Genehmigung des Bundesamtes für Naturschutz.

Die für diese Papiere nötigen Originaldokumente über den Erwerb waren nach Zeitlers Darstellung bei einem Hochwasser im Keller zerstört worden. Dennoch sei der Weg des Flügels von der renommierten Wiener Klavierfabrik Bösendorfer über das Münchner Fachgeschäft Klavier Hirsch bis nach Starnberg nachvollziehbar. Er legte inzwischen dafür Ersatzdokumente für Erwerb und Herkunft vor - die nicht zuletzt sogar belegen sollen, dass das Elfenbein aus einem Lagerbestand vor 1974 stammt, bevor der Afrikanische Elefant unter das Washingtoner Artenschutzabkommen fiel. Das Landratsamt akzeptierte die Dokumente allerdings bisher nicht.

Beim Zoll ist Elfenbein-Schmuggel ein großes Thema

"Es passiert nicht häufig, aber wir haben immer mal wieder ein Problem, vor allem mit der Einfuhr von Klavieren nach Deutschland", sagt der Artenschutzexperte Franz Böhmer vom Bundesamt für Naturschutz. Auch beim Zoll ist Elfenbein ein Thema. Die Beamten finden - neben Krokodilhandtaschen, Korallen und lebenden Tieren - immer wieder Serviettenringe, Armreife, Gehstöcke oder Degen mit Elfenbeinbesatz. Manchmal stellt der Zoll auch Gitarren sicher. Denn die Auflage am Gitarrenhals ist oft aus Palisanderholz - ebenfalls geschützt. "Davon haben wir schon mehrere sichergestellt", sagt Ruth Haliti von der Generalzolldirektion in Köln. Bei Gitarren machten sich Käufer weniger Gedanken als bei schwer zu transportierenden Klavieren, und eine Gitarre nehme man auch mal mit über die Grenze - dann könne es ohne Papiere Probleme geben.

Auf die Ausfuhrregelungen wurde Zeitler erst über den Klavierbauer und dessen Spedition aufmerksam, als 2017 der mögliche Käufer ins Spiel kam. Davor habe er sich um die Tasten des Flügels nie Gedanken gemacht, sagt er. "Dann ist das ganze Drama losgegangen." Denn anstatt der Bescheinigung zum Verkauf bekam zunächst der Klavierbauer, bei dem der Flügel inzwischen stand, eine Anzeige wegen illegalen Handels mit Elfenbein.

"Sie haben uns behandelt wie Schwerverbrecher"

Dann habe es geheißen, der Flügel dürfe nicht mehr bewegt werden, sagt Zeitler. Plötzlich habe die Polizei vor der Tür des überraschten Instrumentenbauers gestanden - "mit zwei Beamten und einer Spedition." Beschlagnahmung. "Sie haben uns behandelt wie Schwerverbrecher", sagt Zeitler. Der Klavierbauer bekam Zeitlers Anwalt zufolge eine Geldauflage. Zeitler klagte auf Herausgabe des Flügels - erfolgreich. Nun steht das gute Stück wieder bei ihm.

Aber je nach Ausgang des Prozesses vielleicht bald ohne Tasten. "Man kann auch eine Kunststofftastatur draufmachen", sagt Zeitler. Aber das würde kosten - rund 4000 Euro. Und vor allem: "Dieser Flügel, wie er dasteht, ist eigentlich ein Gesamtkunstwerk. Es wäre ewig schade, wenn diese Tastatur runter müsste." Letztlich wäre der Umbau "ein wirtschaftlicher Totalverlust."

− dpa