München
30 Jahre nach Tschernobyl: Wildschwein und Pilze strahlen weiter

25.04.2016 | Stand 25.04.2016, 9:37 Uhr

Die Karte zeigt die Bodenkontamination mit radioaktivem Cäsium-137 nach der Tschernobyl-Reaktorkatastrophe im April 1986. Foto: dpa

Keine Gefahr für Deutschland, heißt es noch Tage nach dem Super-Gau von Tschernobyl. Aber Regenwolken bringen die radioaktiven Teilchen nach Westen. Auch 30 Jahre danach strahlt noch manches - vor allem im besonders betroffenen Bayern.

Am 26. April 1986 explodierte das Kernkraftwerk Tschernobyl. Politiker in Deutschland betonen danach unisono: Keine Gefahr. Der damalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) sagt in der Tagesschau drei Tage nach dem Gau, eine Gefährdung sei "absolut auszuschließen". "Denn eine Gefährdung besteht nur in einem Umkreis von 30 bis 50 Kilometer um den Reaktor herum." Und: "Wir sind 2000 Kilometer weg."

Dann dreht der Wind. Plötzlich gibt es erhöhte Radioaktivität auch in Westdeutschland. Fußballspiele werden abgesagt, Freibäder und Spielplätze gesperrt, Sandkästen geleert, Gemüse untergepflügt. Bundesweit am schlimmsten trifft es Bayern, dort wiederum Gegenden, über denen zufällig an diesen ersten Maitagen 1986 schwere Gewitter niedergehen: Landstriche in Schwaben, im Bayerischen Wald und im Süden Oberbayerns.

"Ganz krass ist es bei den Wildschweinen"

Auch 30 Jahre nach der Katastrophe werden dort manchmal bei Wild und Pilzen Werte um ein Vielfaches über dem Grenzwert gemessen. "Ganz krass ist es bei den Wildschweinen", sagt Christina Hacker, Vorstandsmitglied beim Umweltinstitut München, das nach Tschernobyl als Verein gegründet wurde. Wildschweine lieben Hirschtrüffel. Sie fressen Egerlinge - und die im Wald teils belastete Erde mit dazu. "In allen sauren Böden kann sich das Caesium 137 oberflächennah halten. Deshalb gibt es die Problematik in Wäldern und Mooren."

Caesium 137 hat eine Halbwertzeit von 30 Jahren. Gerade einmal die Hälfte davon ist also zerfallen. Es dauere zehn Halbwertzeiten, bis in etwa der frühere Zustand wieder hergestellt sei, sagt Hacker. In Feldern ist das radioaktive Isotop ausgespült, mehrfach untergepflügt und in tiefere Schichten gewandert. Getreide, Gemüse, Salat oder Milch und Fleisch außer Wild sind ohne erhöhte Werte.

Grenzwert um mehr als das Achtfache überschritten

Stichproben des Landesamtes für Umwelt weisen in Pilzen und Wildschwein aber noch manchen Spitzenwert aus: Wildpilze aus Garmisch-Partenkirchen, gemessen am 18. Dezember 2015: Weißer Rasling 4900 Becquerel und Birkenpilz 3000 Becquerel pro Kilo. Wildschwein aus Nürnberg vom 17. September 2015: 1200 Becquerel. Oder vom 13. Mai aus dem schwäbischen Landkreis Ostallgäu: 2100 Becquerel.

Der Grenzwert liegt bei 600 Becquerel, nur 370 Becquerel dürfen es bei Milchprodukten und Babynahrung sein. Nahrungsmittel, deren Werte darüber liegen, dürfen nicht verkauft werden, sonst drohen Strafen. Jäger bekommen für belastetes Wild eine Entschädigung.

− lby