Passau
Wirte berichten über Stornierungen nach Armbrust-Fall in Passau + Video

26.05.2019 | Stand 21.09.2023, 5:32 Uhr

Claus Ortmeier (27) und seine Lebensgefährtin Simona (34) sind die Juniorchefs vom Gasthof Pension "Zur Triftsperre". "Die letzte Zeit war nicht einfach für uns", sagen sie. (F.: Steinhofer/privat)

Ihr Gasthof mit Pension ist jüngst unfreiwillig zum wohl berühmtesten Wirtshaus des Landes geworden: Nach dem mysteriösen mutmaßlichen Mehrfach-Suizid mit Armbrüsten in einem der Zimmer berichteten Medien weltweit über das Lokal in idyllischer Lage am Stadtrand von Passau - das Gebäude war in fast jedem Bericht abgebildet. Mit der Am Sonntag sprach das Wirte-Paar nun erstmals, wie es die Tage nach dem Drama erlebte. (Ein Video finden Sie am Ende des Artikels)

"Liebe Pensionsbesitzer, ich habe Angst in der Pension zu übernachten, da ich glaube, dass es dort irgendwann Geistererscheinungen gibt", liest Juniorchef Claus Ortmeier aus einer Mail vor, die er kurz nach dem Vorfall am 11. Mai bekommen hat. Es war nicht die einzige in dieser Richtung. Auch ob man unbedingt Geld machen muss mit Leuten, die mit einer Armbrust in die Pension gehen, habe einer geschrieben. "Alles eigentlich totaler Quatsch", sagt der 27-Jährige. Und trotzdem: Gut 40 kurzfristige Zimmer-Stornierungen hätten er und seine Lebensgefährtin Simona (34) in den Tagen nach dem Vorfall verzeichnet.

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Noch nicht mit eingerechnet sind dabei die entgangenen Übernachtungen aus Zimmer Nummer 20 - jenes Dreibettzimmer, in dem sich die mysteriösen Gäste mit Armbrüsten selbst richteten. Denn dieses Zimmer - ausgerechnet eins der bereits renovierten - wäre in den Wochen danach fast jeden Tag gebucht gewesen. Doch vermietet werden konnte es nicht. Bis diese Woche Dienstag habe die Polizei das Zimmer für ihre Ermittlungen gesperrt gehabt, erzählt der Wirt. Nun wäre es zwar wieder freigegeben, aber ist in der Hotelsoftware auf unbestimmte Zeit mit "Renovierung" markiert. "Der Fußboden muss raus und auch die Betten gehören komplett ausgetauscht", sagt Claus Ortmeier. Weil die Leichen nur relativ kurz im Zimmer lagen, sei zwar kein entsprechender Geruch mehr drin. Trotzdem wolle man renovieren, auch wenn es wieder einiges kostet - nicht nur Handwerker und Möbel, sondern pro entgangener Übernachtung auch weitere 100 Euro.

Entschädigung? Fraglich

Ob sie eine Entschädigung dafür bekommen, ist fraglich. Und so richtig haben sich die Wirtsleute auch noch keine Gedanken gemacht, ob in solchen Fällen die Haftpflichtversicherung der Verstorbenen - und falls ja von welchem der drei - zuständig wäre. Oder ob man sich an die Erben wenden muss. Es wäre wohl auf alle Fälle kompliziert und würde sich wohl auf einen komplizierten Rechtsstreit rauslaufen, mutmaßt der Juniorchef, der nicht weiß, ob er dafür die Nerven hat.

Genervt war das junge Wirtepaar auch vom riesigen Medienandrang: Tagelang seien Fotografen und Kamerateams auf der Brücke vor dem Wirtshaus und auf dem Parkplatz gestanden, zum Teil schon frühmorgens und im strömenden Regen. "Und nicht mal den Gästen hat man ihre Ruhe gelassen", ärgert sich Ortmeier. Am Muttertag habe man 60 Reservierungen im Lokal gehabt - und sobald jemand rausging, sei er sofort von Journalisten befragt worden. Ein paar britische Reporter hätten sich zunächst als normale Übernachtungsgäste ausgegeben und die Wirte dann am nächsten Tag mit Fragen zu löchern versucht. Andere hätten über den Balkon in das von der Polizei gesperrte Zimmer klettern wollen, um besonders spektakuläre Fotos zu schießen. "Die kennen zum Teil keine Grenzen", sagt er.

Kamera- und Reporterteams sind verschwunden

Immerhin: Knapp zwei Wochen nach dem Drama sind die Kamera- und Reporterteams verschwunden. Dafür ist die Gaststube abends gut gefüllt. Einheimische und Urlauber essen, trinken, ratschen, lachen und spielen Karten. Im Nebenzimmer hält der CSU-Ortsverband Hals eine Mitgliederversammlung ab und stimmt sich auf die Europawahl ein. Man hat den Eindruck, als sei wieder Alltag eingekehrt.

"Ja, mittlerweile hat sich alles wieder beruhigt", sagt Claus Ortmeier - auch das mit den anfänglichen Stornierungen in der Pension. "Die letzten Tage waren wir ausgebucht", ergänzt seine Freundin Simona. Und bezüglich Gasthaus- und Biergartenbetrieb habe der Andrang trotz schlechten Wetters sogar ein bisschen zugenommen. "Wir hatten schon Gäste da, die gesagt haben, dass sie viele Wirtshäuser in Passau kennen, aber die Triftsperre noch nicht. Und nach den Medienberichten wollten sie einfach mal vorbeischauen − und jetzt sogar öfter kommen wollen, weil es bei uns so schön idyllisch und ruhig ist", sagt er. Insofern hatte also auch der enorme Medienrummel etwas Gutes.

Den Leichenfund haben der Wirt und das Zimmermädchen nach eigenen Angaben übrigens auch leichter verkraftet als zunächst gedacht. Wer sich die Szenerie wie aus einem Horrorfilm vorstellt, der liegt auch falsch: "Die zwei auf dem Bett sahen eher aus, wie wenn sie schlafen würden − wie Puppen eigentlich", erzählt Claus Ortmeier. Viele Blutspritzer? Fehlanzeige! Lediglich die dritte Person, die sich selbst tötete, sei in einer kleinen Blutlache gelegen.



Mitarbeit: Veronika Steinhofer