Passau
Erdställe: Uralte und rätselhafte Gangsysteme in Bayerns Boden

08.07.2018 | Stand 19.09.2023, 23:09 Uhr

Hobby-Höhlenforscher: Udo Tolksdorf und Christina Morgner im Erdstall bei Beutelsbach (Lkr. Passau). − Fotos: Schlegel

Sie sind eines der letzten großen Rätsel der Archäologie in Europa: die Erdställe. Mühsam in Fels oder Sandstein gehauene, enge Gänge, manche weniger als 20, einige fast 100 Meter lang. Mit Vieh haben sie nichts zu tun, das Wort "Stall" wird hier in seiner alten Bedeutung verwendet: "Ort".

Dutzende gibt es in Bayern, Exemplare finden sich unter anderem in Viechtach (Lkr. Regen), Vilshofen (Lkr. Passau) oder Aying (Lkr. München). Auch in Österreich, Tschechien, Ungarn und Frankreich tauchen sie auf, oft Hunderte Kilometer voneinander getrennt. Keiner kann sagen, wie viele – Hunderte, Tausende? – noch auf ihre Entdeckung warten.

Achäologie: Die meisten Erställe sind "fundleer"

Die Wissenschaft steht ratlos vor diesen menschgemachten Höhlen. Die meisten Erdställe sind, wie der Archäologe sagt, "fundleer", als wären sie auf ein europaweites Kommando hin leergefegt worden. Die Chronisten schweigen. Doch wo harte Fakten fehlen, blüht die Fantasie. Die Vilshofener Hobby-Höhlenforscher Udo Tolksdorf und Christina Morgner sagen, dass sie gerade das Rätselhafte anlockt, "das große Mysterium". Tolksdorfs Aufgaben in den Erställen: erforschen, erfassen, erhalten. Wann immer ein neuer Erdstall entdeckt wird, ist er zur Stelle, um ihn zu erkunden.

Warum gibt es Erdställe? - Drei Meinungen

"Es bleibt ein großes Rätsel. Meiner Meinung nach sind sie für einen kultischen Zweck gebaut worden. Wenn sie einen praktischen Zweck gehabt hätten, wären sie nicht so sauber ausgearbeitet. Es muss einen extrem wichtigen Grund gehabt haben", sagt Hobbyforscher Udo Tolksdorf, der Mitglied in der Interessengemeinschaft Erdstallforschung (IGEF) ist.

Birgit Symader, Vorsitzende Arbeitskreis für Erdstallforschung dagegen sagt: "Ich denke, sie hatten einen praktischen Nutzen, keinen kultischen. Sie haben den Menschen dazu gedient, das Leben besser zu machen, sei es aus medizinischer oder spiritueller Sicht. Vielleicht ist da etwas, was wir nicht wahrnehmen, weil wir verblendet sind."

Dr. Christoph Steinmann, stellvertretender Referatsleiter für Praktische Denkmalpflege: Bodendenkmäler am Landesamt für Denkmalpflegeh sagt: "Die sympathischste Theorie für mich ist, dass die Leute in den Schoß der Mutter Erde zurückkriechen wollten. Ich verbinde damit was Positives. Vielleicht eine Art Wiedergeburt, dass man geläutert aus der Erde, aus der Dunkelheit ans Licht kommt, wie aus einem Geburtskanal."

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