Rückblick
Jahrhundert-Hochwasser in Passau schreibt große Geschichten und kleine Geschichten

31.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:12 Uhr

Schritt für Schritt watet dieser Mann vorsichtig durch die Brunngasse, denn überall könnten Stolperfallen lauern in der braunen Brühe. −Fotos: Archiv Jäger/Danninger

Die größte Katastrophe in der jüngeren Geschichte Passaus schreibt große Geschichten und kleine Geschichten. Woran erinnert man sich nachhaltig, mal abgesehen vom Gesamtschaden, den das Rathaus mit 275,8 Mio. Euro angibt? „Der Zusammenhalt war einmalig“, sagen Augenzeugen von damals unisono. Da waren ...



•der Uni-Professor, der mit der Schubkarre Schlamm wegfährt aus dem Garten von Astrid und Bernd Störzer im Ort,
•die Gratis-Suppe für alle, zum Beispiel an der Café Bar in der Schustergasse,
•die spontane Party, die aus todmüden Helfern am Kirchenplatz in der Innstadt tanzende Derwische auf dem Feuerwehr-Auto macht,
•die tröstenden Arme für die tränenüberströmte Monika Roth, Leiterin des Altstadt-Kindergartens, die ihr Lebenswerk im Inn versunken glaubt,
•die „Hochwasser-Tochter“ von Sabine und Andreas Scheuer, die am 4. Juni zur Welt kommt und der zuliebe der MdB darauf verzichtet, Bundeskanzlerin Angela Merkel durch Passau zu begleiten, die genau an diesem Tag die überflutete Stadt besichtigt,
•das „Flut-Schiff“, das Till Hofmann, Bernd Vordermeier, Alois Höngberger und Sebastian Fürst an der Ortspitze bauen aus angeschwemmten Holzteilen und das die Stadt wenig später wieder wegreißt,
•das „Kaffeewerk“ von Stefan Bauer, das sich sich schnell mausert zur Hilfszentrale der Innstadt,
•die 180 Helfer aus Franken, die in 35 Autos und Kombis eine Nacht lang durchgefahren sind nach Passau, um dort pünktlich in der Früh anzupacken,
•die Blitz-Doppelhochzeit von Elisabeth Herzog mit Stadtarchivar Richard Schaffner und Heidi Schuster mit Ratskeller-Wirt Kurt Strigler, die alle vier seit 2. Juni im Dauer-Einsatz waren und am Nachmittag des 6. Juni einer Eingebung (der beiden Frauen) folgten und sich vor Standesbeamtem Gerold Haas das Ja-Wort gaben,
•das Zusammenwachsen der Studenten mit ihren gastgebenden Passauern, die in der Uni-Initiative „Passau räumt auf“ gipfelt und die im Nu 1500 Mitglieder hat.
•und und und ...

Vor allem die Woche vom Samstag, 1. Mai, bis zum Samstag, 8. Mai 2013 geht als Woche der Solidarität in die Geschichte ein. In den Baumärkten gehen schnell Schaufeln und Gummistiefel aus und die werden nicht nur von Besitzern abgesoffener Häuser gekauft, sondern auch von Menschen, die helfen wollen.

Selbsthilfe ist denn auch die einzige Chance zum Beispiel in Hals, denn das ist tagelang praktisch abgeschnitten, trocken kommt man nur über den Fußweg vom Oberhausberg hin. Strom, Internet, Festnetz – große Teile davon liegen lahm.

Wenig Fingerspitzengefühl zeigt die Polizei: Sie stellt eine Radarfalle auf auf der einzigen Ausweich-Route für die Grubweger, der Straße über Fischhaus. Kassieren in der Katastrophe...

Ansonsten überwiegen aber Dankbarkeit und Lob für die vielen Helfer in der Not, an vorderster Front die Studenten. „Die sind eine Wucht!“, stellt Christa Moser von der gleichnamigen Gärtnerei in der Innstadt fest. „Die kommen mit Schubkarren, schaufeln Schlamm und bringen sogar noch Brotzeit mit. So etwas habe ich noch nicht erlebt“, begeistert sich die damals 72-Jährige schon einen Tag nach dem Höchstpegel.

Die Geschwindigkeit der Studenten beeindruckt viele und schnell wird klar, dass in Sozialen Netzen nicht nur Fotos von Katze Mia und dem Abendessen beim Griechen kreisen, sondern auch nützliche Absprachen: wer hilft womit wann wo. Die Plattform „Passau räumt auf“ entwickelt sich schnell zur Info-Drehscheibe.

Die größte Katastrophe seit den Stadtbränden 1662 und 1680 hat zig kleine und große Geschichten geschrieben, die bedeutendste Nachricht ist aber, dass bei dieser kein Menschenleben zu beklagen war.


 Die PNP-Serie „10 Jahre nach der Flut“ wird am Donnerstag, 1. Juni fortgesetzt.