Neustift/Ortenburg
Pilotprojekt soll ein kulturelles Gedächtnis schaffen

Informationen rechtzeitig zusammentragen, bevor es verloren geht – Fördervertrag mit Arbeitsgemeinschaft ILE Klosterwinkel

13.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:34 Uhr

Bei der Unterzeichnung des Vertrags v.l. vorne Andreas Unfried, stv. Landrat Klaus Jeggle, Schwester Cyrilla Zimmer, Stefan Romer (Geschäftsleiter ILE Klosterwinkel), Pfarrer Anton Haslberger, 2. Bürgermeister Harald Roitner, 3. Bürgermeister Michael Straubinger; stehend v.l. Michael Dannecker, Johann Pletz, Anneliese Schuster, Franziska Bründl und Josef Kaiser. −Foto: Kaiser

Von losen Gesprächszusammenkünften hin zu einem Pilotprojekt des Landkreises Passau – so lässt es sich zusammenfassen, was sich in den letzten Monaten im Ortsteil Neustift in der Marktgemeinde Ortenburg entwickelt hat.

Konkret geht es um ein Vorhaben, Neustift mit seiner Umgebung historisch zu erschließen. Einmalig ist dabei die Symbiose von Ehrenamt und Wissenschaft.
Geschichte gehe immer weiter, aber was verloren sei, bleibe auch verloren, erklärt Josef Kaiser, Koordinator der Projektgruppe. Daten in Form von Zeitdokumenten und Wissen in den Köpfen sind da. „Wenn aber gerade die älteren Leute wegbrechen, sind die Daten weg. Dokumente werden weggeschmissen, weil es niemanden interessiert. Wir haben gesagt, wir wollen uns ein wenig Geschichte bewahren“, sagt Kaiser.

Vor diesem Hintergrund nahm die Idee ihren Lauf und wurde nun zu einem Pilotprojekt mit dem Landkreis Passau.

Julia Bösl-Sachse vom Kulturreferat des Landkreises Passau sieht das Hauptziel des Projektes in der „Sammlung von Daten, die irgendwann im Laufe der Zeit sonst verloren gehen würden“.

Die Herausforderung sei, die grundlegende Struktur bzw. Tektonik „nicht zu kompliziert zu machen“. Es müsse ein Mittelweg gefunden werden – nicht nur wissenschaftlich, damit sich am Ende jeder einfach zurechtfinden könne.

Dem schloss sich auch Kulturreferent Christian Eberle an und ergänzte, dass selbiges auch für den Vorgang der Archivierung gelte. Entsprechend habe hier bereits ein Austausch mit der Regierung von Niederbayern und dem Archiv in Landshut stattgefunden.
Die Größenordnung passe. Es sei schon einiges passiert und einiges folge – „das geht in Ordnung, so dass ich gesagt habe: Wir können das in Form eines Pilotprojektes begleiten“, schilderte Kulturreferent.

Der Bedarf ist offensichtlich gegeben. Durch das Zusammenführen des Wissens der Neustifter Beteiligten und jenem des Kulturreferats können künftig auch anderen Orte profitieren. „Wenn wir zusammenhelfen, dann kriegen wir das nicht nur gut, sondern auch zügig hin“, meint Eberle.

Landrat Raimund Kneidinger findet die Aufgabenstellung spannend, gerade „weil man vieles noch entdecken wird“. Die Schwierigkeit, Beschreibungen zu Zeitdokumenten zu finden, sei ihm selbst im Zuge der Entstehung der Feuerwehrfestschrift in seinem Heimatort bewusst geworden. „Man muss keine großen Generationensprünge machen. 100 Jahre sind gar nicht so lange her, aber schon hier fallen die Leute aus, die überhaupt noch jemanden kennen.“

Dies unterstreicht die Wichtigkeit der Erfassung und Sicherung von Metadaten in der Tektonik, ist man überzeugt. Mit dem Pilotprojekt soll es gelingen, eine einheitliche Archivstruktur zu schaffen, „zumindest für unsere Heimatregion“, so Landrat Kneidinger.

Die Mischung der Agierenden und die Größe des Archivraumes sind für Kneidinger vielversprechend, denn „je größer die Ortschaften werden, umso anonymer und unabhängiger“ seien die Individuen. Der Landrat würde sich über das Gelingen des Projektes freuen, da es ein Gewinn für die gesamte Region wäre – eine „Zukunftsvision für die Kreisheimatpflege im gesamten Landkreis“. Daher sei der Landkreis Passau, insbesondere das Sachgebiet Kultur und Tourismus, beteiligt.

Bei einem Info-Abend, gestaltet von Dr. Herbert Wurster und Dr. Dr. Ulrich Pietrusky, waren die Besucher vom Projekt regelrecht begeistert. Landrat Raimund Kneidinger, Bürgermeister Stefan Lang und Kulturreferent Christian Eberle waren sich bei dieser Veranstaltung einig, dass diese Pilotarbeitsgemeinschaft etwas Großes erreichen könnte. „Um die Zukunft zu gestalten und zu wissen, wo man in der Gegenwart steht, ist es wichtig, dass man das Fundament aus der Vergangenheit hat“, sagte der Landrat, der in diesem Pilotprojekt gar ein Aufbruchsignal für viele Gemeinden im Landkreis Passau sieht.

Eberle ergänzte: „Was im Kleinen gut anfängt, kann auch im Großen gut umgesetzt werden.“ Für den Kulturreferenten sei das Projekt in Neustift die ideale Voraussetzung, um künftig den Bürgermeistern, die ihre Archive digitalisieren wollen, etwas an die Hand geben zu können.

Nun konnte der Fördervertrag mit der ILE Kosterwinkel unterzeichnet werden, der den Beteiligten einen Zuschuss in Höhe von 10000 Euro gewährt, damit sich diese das entsprechend IT-Equipment und die Ausstattung für eine hochwertige Digitalisierung und zwingend notwendige Datensicherheit ermöglicht. Testphasen diverser Geräte haben ergeben, dass einfache IT-Ausstattung leider nicht für die angedachte Projektumsetzung ausreicht.

Zwischenzeitlich haben sich die Neustifter mit dem Förderverein Schloss Ortenburg und dem Markt Ortenburg vertraglich abgestimmt, dass analoge und digitale Daten gegenseitig ausgetauscht werden, um Ressourcen zu schonen. „Es muss nicht immer jeder das Gleiche tun“, sagt Josef Kaiser. „Wenn wir digitale Daten haben, spielen wir es unseren Partnern zu, die können dann individuell entscheiden, was sie damit machen wollen.“

Gemäß den Aussagen von Kulturreferent Eberle wird das Projekt intensiv begleitet, so sind u.a. Expertenvorträge geplant:
• DDr. Ulrich Pietrusky – Thema: Kolonie Unterthannet/Lohfeld (Termin: 16.10.2023 – 19 Uhr – Gemeinschaftshaus)
• Kreisheimatpfleger Rudi Drasch – Thema: Mühlen an der Wolfach (Termin: 23.10.2023 – 19 Uhr – Gemeinschaftshaus)
• Anfrage bei Kulturpreisträger Alfred Schwarzmeier, Thema Lesung: Heimat (Termin unbekannt)
• Anfrage bei den örtlichen Schulen und Kindergarten wegen Mithilfe bzw. intensive Unterstützung durch die Universität Passau und dem Bistum Passau.

Besonders freute sich Josef Kaiser, weil man im Archiv des Marktes Ortenburg die Ehrentafel der Kriegsteilnehmer der Altgemeinde Iglbach mit den Ehrenblättern zu den jeweiligen Beteiligten wiederentdeckt hat. Ein historischer Schatz, der „nüchternen“ Namen auf den Kriegerdenkmälern eine neue Dimension gibt, wie er meinte. Name, Fotos, Kriegseinsätze und Verwundungen zeigen, wer seine Jugend im Kriege opfern musste.

„Das Projekt ist toll“, sagten die Bürgermeister Roitner und Straubinger. „Es wäre optimal, wenn viele Gemeinden dem Beispiel folgen würden.“

− va