Zwischennutzung startet
Passauer Till Hofmann bringt wieder Leben in den Münchner Gasteig

02.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:51 Uhr
Patrik Stäbler

Till Hofmann und sein Team haben sich durchgesetzt mit ihrem Zwischennutzungs-Konzept für den Münchner Gasteig, das größte Kulturzentrum in Europa. Der Name stammt übrigens von dem Flurstück, auf dem das Gebäude erbaut wurde. Der „gache Steig“ verbindet Haidhausen mit der Münchner Altstadt. −Foto: Stäbler

Till Hofmann tippt die Taschenlampe seines Handys an, bevor er die Black Box betritt, die ihrem Namen alle Ehre macht. Denn in dem Veranstaltungssaal in Europas größtem Kulturzentrum, dem Gasteig in München, ist es stockfinster. Dies will Hofmann ändern, weshalb er nun quer durch den Raum tigert, hierhin und dorthin leuchtet, ehe er nach einigem Suchen endlich den Schalter entdeckt und das Licht anknipst.



Dass der 52-Jährige den Schalter nicht auf Anhieb findet, mag zunächst überraschen. Schließlich ist Hofmann einer der neuen „Hausherren“ im Gasteig – einerseits. Andererseits sind seine Mitstreiter und er erst vor einigen Wochen in den riesigen Gebäudekomplex im Stadtteil Haidhausen eingezogen, der seit fast zwei Jahren leer steht.

Doch das soll sich nun ändern: In dieser Woche werden die ersten Musikerinnen, Künstler, Theaterensembles und andere Kreativschaffende circa 100 Räume im Gasteig beziehen – vom großen Saal bis zur kleinen Kammer. In den folgenden Monaten soll sich der Gasteig dann für alle öffnen: Veranstaltungen vom Konzert bis zur Lesung werden hier stattfinden, dazu kommen Bars und Restaurants, es wird getanzt und gefeiert, aber auch Ausstellungen, Kunstinstallationen und Kultur für Kinder sind geplant. Kurzum, es zieht wieder Leben ein auf den circa 80000 Quadratmetern. Und, wenn es nach Till Hofmann geht, überdies Kreativität, Experimentierfreude und kulturelle Vielfalt.

Facettenreich soll es am Gasteig zugehen



„Die Black Box zum Beispiel ist der vielseitigste Raum im Gasteig“, sagt der 52-Jährige und blickt wie ein Kind vorm Weihnachtsbaum durch den nun erleuchteten Saal. „Hier kann getanzt werden und jede Form von Theater stattfinden, aber auch Fusion-Jazz-Konzerte, Clubabende mit Technomusik oder vielleicht sogar ein Boxkampf.“ Und genauso facettenreich soll es nicht nur in der Black Box, sondern im ganzen Gasteig zugehen – das wünschen sich zumindest Till Hofmann und seine Mitstreiter, die hier eine kulturelle Zwischennutzung im XXL-Format auf die Beine stellen. Der Arbeitstitel: „Fat Cat“.

Wie der aus Passau stammende Kleinkunst-König Till Hofmann sowie Barbara Bergau, Nepomuk Schessl und Michi Kern – sie alle sind feste Größen im Münchner Kulturbetrieb – auf die fette Katze als Namensgeber gekommen sind, dazu später. Zunächst zur Vorgeschichte, die im Juli 2015 mit einem Stadtratsbeschluss zur Generalsanierung des 1985 eröffneten Kulturzentrums beginnt.

Nach mancher Planungspanne sowie einigem Hin und Her wird Ende 2020 entschieden: Die Renovierung darf höchstens 450 Millionen Euro kosten und wird an einen Investor vergeben. Knapp ein Jahr später eröffnet in Sendling das Gasteig-Interimsquartier, worauf am leergeräumten Standort in Haidhausen alles bereit ist für den Start der Bauarbeiten – eigentlich. Doch dann wird im Januar 2023 bekannt, dass die Stadt keinen Investor findet, weshalb es nun eine komplette Neuplanung braucht. Und das wird dauern – mindestens bis 2024.

Zwischennutzung für Gasteig beschlossen



Damit der Gasteig bis dahin nicht verwaist bleibt, hat der Stadtrat eine Zwischennutzung beschlossen und damit im Februar jenes Fat-Cat-Quartett betraut – vorerst bis Ende 2023. „Das Schlimmste wäre doch, wenn all die Räume weiter leer stehen“, sagt Till Hofmann. Und das in München, wo die horrenden Mieten vielen Kulturschaffenden das Leben erschweren und laut Hofmann dazu geführt haben, dass in in den letzten 25 Jahren ganze 20 freie Theater aufgeben mussten. Oder wie er es formuliert: „Die wurden weggentrifiziert.“

Wie groß der Bedarf an Ateliers, Probenräumen und Auftrittsmöglichkeiten in der hiesigen Kulturszene ist, zeigte sich nach einem öffentlichen Aufruf der Fat-Cat-Betreiber. „Da sind sehr gute Sachen reingekommen“, sagt Till Hofmann. „Und richtig viele.“ Nun ist es an ihm und seinen Mitstreitern, aus diesem reichhaltigen Angebot eine passende Mixtur zusammenzustellen, wobei vor allem die freie Szene, soziale Initiativen und Kreativschaffende berücksichtigt werden sollen. Das Ziel sei, so Hofmann, 50 bis 60 Prozent soziokulturelle Nutzung, für die man vergleichsweise niedrige Mieten verlange. „Der Rest wird kommerzielle Nutzung sein.“

„Fat Cat“ ist im Englischen auch eine Bezeichnung für einen reichen Bonzen. Zudem gibt es den „Fat Cat Day“ – jener Tag, an dem ein Topmanager bereits so viel verdient hat wie ein durchschnittlicher Arbeiter im ganzen Jahr. „Da ist schon ein bisschen Ironie dabei“, sagt Till Hofmann über den Arbeitstitel, der sich verfestigt hat. In erster Linie sei damit aber das riesige Gasteig-Gebäude gemeint. „Denn das“, sagt Hofmann, „liegt ja wie eine fette Katze über der Stadt.“