Interview mit dem Direktkandidaten
„Offenem Hass couragiert entgegentreten“

21.09.2023 | Stand 21.09.2023, 19:00 Uhr

Berufskraftfahrer Christoph Graw (22) aus Bad Griesbach tritt für die Partei „Die Linke“ am 8. Oktober für das Direktmandat im Bayerischen Landtag an. − Foto: privat

Am 8. Oktober wird ein neuer Landtag gewählt. Die PNP stellt die Direktkandidaten aus dem Raum Passau vor. Heute: Christoph Graw aus Bad Griesbach, der Kandidat der „Linken“ im Stimmkreis Passau-West.

Was ist Ihr wichtigstes Anliegen?
Graw: Dass jeder Mensch Mensch sein darf – egal wo er herkommt, wie er aussieht, wie er sich kleidet oder welcher Sexualität er ist.

Wie wollen Sie Jungwähler ansprechen?
Graw: Ich bin beispielsweise ganz klar für die Legalisierung von Cannabis. Wichtige Themen für die Jugend sind in meinen Augen die Verbesserung des Schulsystems und der ÖPNV-Ausbau auf dem Land, damit Jugendliche nicht mehr Ewigkeiten darüber nachdenken müssen, wo, wann und ob überhaupt ein Bus fährt. Die Jugendlichen sollten mehr Mitspracherecht haben, deshalb plädiere ich auch für ein Wahlrecht ab 16 Jahren.

Ihre Position zur Migrationspolitik?
Graw: Fakt ist: Wie es derzeit ist, kann es nicht weitergehen. Die derzeitige Migrationspolitik stärkt nur das rechte Spektrum. Ich bin für eine Rückkehr zum Asylrecht von vor 1993, als Asylbewerber Deutsch lernen mussten, bereits nach einem halben Jahr am Arbeitsmarkt integriert werden konnten und sobald ihr Verfahren abgeschlossen und sie eine Arbeit nachweisen konnten, einen deutschen Pass beantragen konnten. Das wäre eine Erleichterung, aber auch eine Verschärfung zugleich. Meine Utopie wäre ohnehin eine Welt ohne Grenzen. Doch klar ist auch: Wer zu uns kommt und sich nicht an die Regeln hält, hat hier nichts verloren.

Wie kann eine Energiewende gelingen und in welche Richtung müsste sie gehen?
Graw: Der frühzeitige Ausstieg aus der Atomenergie war ein Fehler. Denn ohne diesen Puffer haben wir keine Zeit, Sonnen- und Windkraft entsprechend auszubauen und haben womöglich auch die Chance der Kernfusions-Technik verpasst. Die Rückkehr zu Kohlekraftwerken stellt überdies ein Riesenproblem dar. Außerdem sollten die Einspeicherungskosten für Solaranlagen wieder erhöht werden, um Solar für die Bürger wieder attraktiver zu machen und sie sich autark versorgen können. Was unbedingt dazugehört: Bayern muss ein eigenes Atommüll-Endlager haben, alles andere wäre einfach nur frech!

Was können Sie für die heimische Wirtschaft tun?
Graw: Im Thema Wirtschaft muss ich mich noch festigen, aber ganz klar ist, dass ohne eine gute und faire Bezahlung der Beschäftigten die Wirtschaft massiv darunter leiden wird. Wenn es den Beschäftigten gut geht, geht es der Wirtschaft gut. Ich bin überzeugt, dass die Wasserstofftechnologie die Zukunft ist. Sie sollte neben der Elektromobilität stärker gefördert werden. „Die Linke“ bekennt sich klar zum Forschungs- und Wirtschaftsstandort Bayern und unterstützt daher auch den Bau einer Batteriefabrik im Gäuboden.

Haben Sie ein Rezept für eine bessere Gesundheitspolitik?
Graw: Die Krankenkassen mehr in die Pflicht nehmen. Zum Beispiel sollte der Krankenkassensatz für psychologische Behandlungen erhöht werden. Die Krankenkassen üben hier Macht aus, indem sie Psychotherapie-Plätze gering halten. Dabei nehmen psychische Erkrankungen stetig und deutlich zu, aber entweder man muss monatelang auf einen Termin warten oder zahlt sich die Behandlung selber, was aber nicht jeder kann. Hier muss etwas geändert werden, hier müssten die Länder mehr Druck auf den Bund ausüben. Außerdem müssen die Krankenhäuser erhalten bleiben, vor allem die kleineren auf dem Land.

Wo würden Sie Schwerpunkte in der Verkehrspolitik setzen?
Graw: Eindeutig beim Ausbau des öffentlichen Personen-Nahverkehrs, vor allem beim Ausbau der Zugstrecken. Der ÖPNV ist eines der wichtigsten Themen überhaupt. Wichtig aus meiner Sicht ist auch die Förderung von Wasserstoff-Autos und der Ausbau von Wasserstoff-Tankstellen. Das ist die Zukunft für eine funktionierende Verkehrswende.

Was kann der Freistaat wohnungspolitisch bewirken?
Graw: Sehr viel – wenn er endlich mal die versprochenen 400000 Sozialwohnungen bauen würde, von denen bis heute lediglich ein Bruchteil errichtet worden ist. Das ist gelinde gesagt eine Sauerei! Der rasche Ausbau der Sozialwohnungen würde den Wohnungsmarkt entlasten und Arbeitsplätze in der Bauwirtschaft sichern. Was der Freistaat noch tun könnte: Einen Mietendeckel vor allem für Städte wie München einführen.

Was macht Ihnen Angst, wenn Sie an die Zukunft denken?
Graw: Dass wir wieder in ein Zeitalter kommen, in dem rechtsradikale Parteien an die Macht kommen, in dem Fremdenfeindlichkeit herrscht und Hass gegen Menschen anderer Sexualitäten. Angst macht mir auch das Klima, dass wir in Zukunft ständig einmal im Backofen, dann wieder in der Kühltruhe leben müssen.

In einem Satz: In der Region fehlt es vor allem an …
Graw: ...Vertrauen in die Politik – selbstverschuldet durch die Politik.

In einem Satz: Was ist mit Ihnen auf keinen Fall zu machen?
Graw: Offene Fremdenfeindlichkeit! Alle Menschen sind Menschen und so sollten wir uns auch gegenseitig verhalten. Wer offen Hass gegen andere Kulturen zeigt, dem muss man couragiert entgegentreten.

Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz: Wir Politiker sollten…
Graw: ...auf unsere Wählerschaft, auf die Bürger hören, das Sprachrohr für die Bürger zur Regierung hin sein und unsere Versprechen halten.


Das Gespräch führte Stephan Brandl.


Sonderseiten zur Landtagswahl gibt es auch auf den Internetseiten der PNP unter: www.pnp.de/landtagswahl.