Vilshofen
Mit leichter Hand und schwerem Gerät: Neue Ausstellung in der Galerie im Stadtturm

06.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:22 Uhr

Rapunzel klettert selbst aus dem Turm und wartet nicht länger auf den Prinzen

So viele Gäste drängten sich am Donnerstag zur Vernissage „Weniger ist mehr“ in die Galerie, dass die Aquarelle und Bildhauerwerke zeitweise schier belagert schienen. Die Kombination aus zarter Malerei und eigenwillig-verspielten Holzformen macht die neue Ausstellung des Kultur- und Geschichtsvereins zu einem besonderen Erlebnis.

Vorsitzende Erika Schwitulla begrüßte die beiden Künstler und sagte, dass jeder auf seine Weise neue Wege ging und kreative Umwege in Kauf nahm. Wolfgang Zoidl, der in Büchlberg aufwuchs und heute noch dort lebt, hat insbesondere beruflich Neues gewagt. Der gelernte Logistikfachwirt entschloss sich mit 45 Jahren, Musik und Kunst im Lehramt zu studieren. Seitdem unterrichtet er und betreibt ein Atelier für Kunst und Musik in Passau.

Seine musikalische Begabung präsentierte er bei der Vernissage auf dem Marimbaphon, wo er mit vier Holzschlägeln klangvolle Melodien zauberte. Live präsentierte er sodann den Besuchern, wie ein Aquarell entsteht. Interessiert verfolgten die Gäste, wie er flink die Silhouette eines Olivenbaumes malte und in wenigen Minuten mit dem Pinsel ein Mohnfeld tupfte, spritzte, wischte. „Weniger ist mehr“, das ist sein Motto.

Zoidls Aquarelle an den Wänden zeigen, wie er mit sparsamen Strichen seine Motive – Orte und Naturlandschaften in Italien wie in Niederbayern – auf den Punkt bringt. Nur das Wesentliche wird angedeutet, die Essenz der kleinen Gasse am Gardasee oder die herbstliche Stille im Bayerischen Wald. Das Auge des Betrachters wird nicht geflutet mit Details, sondern kommt zur Ruhe und spürt der Stimmung des jeweiligen Landstrichs nach.

Auch bei den Tierbildern gelingt ihm dies überzeugend. Der intensive Blick des Gepards, seine wache Aufmerksamkeit, all dies mit scheinbarer Leichtigkeit dargestellt und doch sorgfältig geplant.

Der Bildhauer Örni Poschmann wiederum ist weit in der Welt herumgekommen. Der gebürtige Berliner lebte längere Zeit in Russland, ließ sich im Odenwald zum Bildhauer ausbilden und kam auf seinem Weg als Wandergeselle durch Kanada, Sibirien und durch die Schweiz. Es folgte eine Lehre als Zimmerer, die seine Palette noch einmal verbreiterte. Heute lebt er im Landkreis Landshut zusammen mit seiner Frau, die ebenso Künstlerin ist, und den drei Kindern.

Poschmanns Holzobjekte lassen staunen. Nur mit der Motorsäge schafft er aus dem rohen Stamm Objekte und Körper. Er rundet keine Kanten, sondern lässt die Blasmusiker auf dem Traktor eckig und zugleich prall und präsent erscheinen. In bunte Farben gefasst, strotzen sie vor fröhlicher Vitalität. Poschmann arbeitet mit seinem groben Werkzeug differenziert und kleinteilig, erweckt Tom Sawyers Gestalten zum Leben wie auch kraftvolle Sportler und muntere Badende in großen Reliefs.

Der massive Werkstoff Holz wird bei ihm in ein leichtes Material verwandelt und bietet zudem vergnügliche Ideen: die Braut, die mit wehendem Schleier vor dem Bräutigam davonrennt. Oder Rapunzel, die keine Zeit mit Warten verschwendet und lieber selbst den Turm hinunter klettert. Der Künstler, so die Laudatorin Martina Hupp, erzeuge Farben, die Stimmung machen, Formen, die Raum schaffen, Dimensionen, die zum Leben erwachen und sich zusammenfügen zu einem Film im Kopf des Betrachters.

Bürgermeister Florian Gams begrüßte zahlreiche Stadträte und freute sich, dass diese vielfältige Kunst in den von der Stadt neu gestalteten Turmräumen besonders gut zur Geltung kommt.

Die Ausstellung dauert noch bis 16. April. Geöffnet ist sie jeweils Donnerstag von 16 bis 19 Uhr sowie Freitag bis Sonntag von 14 bis 17 Uhr. Dort kann man auch eine Dokumentation über die Gestaltung von Spielplätzen von Örni Poschmann sowie ein pädagogisches Malbuch von Wolfgang Zoidl einsehen.