Passau/Eging
„Miststück“ – das kostet 1500 Euro

Ehemalige Eginger Bauamtsleiterin beleidigt ihre Nach-Nachfolgerin – „Kann damit leben“

10.01.2023 | Stand 17.09.2023, 5:49 Uhr

Die Angeklagte (66) wartet am Dienstag vor der geöffneten Tür zum Saal im Passauer Amtsgericht auf den Beginn der Verhandlung, in der sie wegen Beleidigung verurteilt wird. −Foto: Rücker

Von Helmuth Rücker

Es geht ihr – so sagt sie – um Gerechtigkeit. Sie ist davon überzeugt, dass viele um sie herum in einem Sumpf aus Korruption und Skrupellosigkeit stecken. Sie ist von dem Gedanken getrieben, diesen Sumpf trocken legen zu müssen – egal, gegen wen sie kämpfen muss. Gestern stand die ehemalige Leiterin des Bauamts im Eginger Rathaus deswegen vor Gericht. Nicht als „Kämpferin für Gerechtigkeit“, sondern als Angeklagte. Sie hatte ihre Nach-Nachfolgerin „Miststück“ genannt und ihr ein skrupelloses, freches und korruptes Verhalten attestiert. Wegen dieser Beleidigung einer Amtsperson wurde sie zu einer Strafe von 1500 Euro verurteilt (30 Tagessätze à 50 Euro). Die Verurteilte: „Damit kann ich leben.“

Die 66-Jährige schreibt Mails an die Verwaltung und an die politischen Vertreter, sie erzählt Medien von „dem größten Skandal in der Region“, sie wendet sich an Institutionen, sie meldet sich bei Bürgerversammlungen zu Wort. Zwölf Jahre war sie Bauamtsleiterin. Sie versucht, ihre Sachkompetenz einzubringen, tut sich aber schwer, mit ihrer Kritik durchzudringen. Ihr wird Gehör geschenkt, doch ihre Kritik erzielt keine Wirkung.

Widerspruch gegen Strafbefehl

Als sie im April 2022 im Vilshofener Anzeiger liest, wie sich der Mann der aktuellen Eginger Bauamtsleiterin für den Erhalt eines Waldes einsetzt und den geplanten Abbau von Kies kritisiert, platzt der 66-Jährigen der Kragen. Sie setzt sich hin und schreibt dem 2. Bürgermeister von Eging eine Mail, in der sie anprangert, dass ihre Nach-Nachfolgerin im Bereich der Eginger Westernstadt zulässt, dass dort Wald für eine Erweiterung gerodet werden soll. In dem Schreiben nennt sie die Bauamtsleiterin „ein Miststück“. Dem 2. Bürgermeister erlaubt sie, die Mail weiterzuleiten. Dieser schickte sie unter anderem die Gemeinderatskolleginnen und -kollegen. Irgendwann erhielt auch die Rathaus-Angestellte Kenntnis von der Beleidigung.

Die Bauamtsleiterin zeigte ihre Vor-Vorgängerin entsprechend an. Sie war die ständigen Beschimpfungen leid. Für die Staatsanwaltschaft war der Vorfall schnell klar. Sie schickte einen Strafbefehl über 40 Tagessätze à 50 Euro raus (2000 Euro). Die 66-Jährige legte Widerspruch ein, so dass es nun zur Hauptverhandlung kam. Die Egingerin trat ohne anwaltliche Vertretung auf.

30 Minuten Verhandlung in Passau

Auch vor Gericht war die Sache schnell geklärt. Die Verhandlung, die von drei Eginger Bürgern und dem Mann der Bauamtsleiterin beobachtet wurde, dauerte gerade einmal 30 Minuten. Die Anzeigen-Erstatterin war als einzige Zeugin geladen. Sie wurde von einem Betreuer vom Weißen Ring begleitet. Eine Zeugenaussage war nicht erforderlich, so dass die seelisch belastete Frau (was von einem Arzt attestiert wurde) nicht mit anhören musste, als der Richter besagte Mail vorlas.

Das Schreiben enthielt weitere Beleidigungen. Personen wurden unter anderem als „skrupellose Verbrecher“ tituliert. Der Sumpf werde immer größer und sie habe eine „neue Katastrophe“ aufgedeckt.

Sie habe Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, weil sich nicht alle Bezeichnungen („Umweltverbrecherin“ etc.) auf die Bauamtsleiterin bezogen hätten. Sie habe nur die Wahrheit aufgedeckt, sagte die Angeklagte vor Gericht. Der Amtsrichter machte einen Vorschlag zur Güte: Er reduziere die Tagessätze um 10. Der Staatsanwalt nickte. Der Richter machte klar: Die Angeklagte habe eine Grenze überschritten. Sie müsse sich bei solchen Schreiben im Griff haben und im „sachlichen Ton“ schreiben.

Staatsanwalt und Angeklagte erklärten sich mit dem Urteil einverstanden, womit es rechtskräftig wurde. „Ich kann damit leben“, sagte die 66-Jährige im Letzten Wort. Sie muss zudem die Kosten des Verfahrens tragen.

Folgen weitere Anzeigen gegen 66-Jährige?

Zur Sprache war auch gekommen, dass die 66-Jährige eine einstweilige Verfügung gegen einen Geschäftsführer der Westernstadt bewirkt hatte. Es ging um ein Annäherungsverbot. Dieser legte Einspruch ein, die Familienrichterin revidierte in einer darauf folgenden Verhandlung die Verfügung.

Nach der gestrigen Verhandlung standen die Zuhörer auf dem Flug zusammen und berieten sich. Da sie mit den anderen Beleidigungen gemeint waren, erwägen sie ihrerseits Anzeigen gegen die 66-Jährige.

Für die Bauamtsleiterin ist der Fall in zweierlei Hinsicht erledigt. Zum einen wurde ihr Gerechtigkeit zuteil, zum anderen dürften die Vorwürfe der Vor-Vorgängerin ein Ende haben. Sie hat wegen der seelischen Belastung – so ihr Bekunden – den Job im Rathaus zum Jahresende gekündigt.