Passauer Konzertwinter
„Gesualdo Six“ singen englische Motetten in höchster Vollendung in St. Anton

06.02.2023 | Stand 17.09.2023, 3:44 Uhr

„The Gesualdo Six“ mit ihrem Gründer und Leiter Owain Park (rechts) füllten den Kirchenraum in Passau, St. Anton, mit ihrer musikalischen Botschaft aus der Zeit der englischen Glaubenskriege. −Foto: Würdinger

Sie brechen in der kommenden Woche auf zu einer großen Konzertreise durch Kanada, die USA, Australien und Neuseeland, die sechs jungen englischen Sänger des Ensembles The Gesualdo Six. Beim Passauer Konzertwinter der Gesellschaft der Musikfreunde führten sie die Zuhörenden in der Pfarrkirche St. Anton mit ihren Motetten in die Zeit der englischen Glaubenskriege zwischen Katholiken und Anglikanern, die auch die Kirchenmusik in England grundlegend beeinflussten.

Da war einerseits die katholische Tradition mit ihren lateinischen Hymnen, die aus dem Stundengebet der Kirche kamen, und andererseits die neue Form des Gottesdienstes in der englischen Landessprache. Diese starke Spannung wurde von den Komponisten jener Zeit immer wieder aufgegriffen, wenngleich die komplexe Musikalität hohe Ansprüche an die Sänger stellte.

Diesen Ansprüchen wurden die Gesualdo Six unter ihrem Gründer und Leiter Owain Park in höchster Vollendung gerecht: Die Sänger füllten den elliptisch angeordneten Kirchenraum, der in seiner Form neue Interpretationsmöglichkeit und Herausforderung zugleich war, mit bis in feinste Nuancen präziser Artikulation: Die Komponisten der englischen Tudor-Zeit mussten die englischen Worte so vertonen, dass möglichst jede Silbe verständlich war.

Diese Musik, dieser Gesang braucht Bewegung, kann nicht einfach statisch gesungen werden. Die Sänger von The Gesualdo Six machten die hochkomplexen Kompositionen von Thomas Tallis und William Byrd ganz neu transparent und lebendig – weil sie sich immer wieder an neuen Orten im Kirchenraum formierten, weil sie auch die Hymnen im traditionellen Wechsel zwischen Solo und Mehrstimmigkeit durch den Raum trugen.

Kurze lateinische Verse aus der Heiligen Schrift und der katholischen Liturgie, meist Worte des Abschieds und der Trauer, wurden in polyphoner Entfaltung zur Botschaft des Trostes und der Hoffnung. Diese Gesänge sollten wohl auch Trost sein in den englischen Glaubenskriegen, und sie sollten zugleich Glaubensverkündigung sein. William Byrd drückt mit seiner fünfstimmigen Vertonung der Todesangst Christi tief bewegend auch die Ängste der Menschen seiner Zeit aus – The Gesualdo Six haben diese musikalische Botschaft mit atemberaubender stimmlicher Kraft vermittelt.

Hans Würdinger