Künftiger Passauer Orchesterchef?
Ektoras Tartanis empfiehlt sich für den Posten des Chefdirigenten

18.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:08 Uhr
Carola Baumann-Moritz

Riesenapplaus und betörende Bravi-Rufe erhält die Niederbayerische Philharmonie unter der Leitung von Ektoras Tartanis. −Foto: Baumann-Moritz

Die Niederbayerische Philharmonie des Landestheaters in Passau sucht einen Chefdirigenten: Ab Januar schon soll dieser seine Position antreten und sich – dem Generalmusikdirektor Basil Coleman nachgeordnet – vorwiegend das Konzertprogramm pflegen. Wer sich hier bewährt, empfiehlt sich zudem als Nachfolger für den GMD, dessen Vertrag 2026 endet.

Im ausverkauften Stadttheater spielt das Orchester das Weihnachtskonzert „Winterträume“ unter der Leitung des in Stuttgart geborenen Ektoras Tartanis, neben Rodrigo Tomillo der zweite Kandidat in der engeren Auswahl.

Der 35-Jährige, in Frackhose und schwarzem Seidenhemd, fasziniert Publikum wie Orchester vom ersten Takt an, wobei auffällt, dass Intendant Stefan Tilch und kommissarischer Geschäftsführer Konrad Krukowski sich persönlich ein Bild vom Bewerber machen, nicht aber der GMD, Verwaltungsdirektor, Kulturreferent und Oberbürgermeister.

Mit geschmeidigen Bewegungen und überzeugender Körpersprache leitet Ektoras Tartanis die Musiker, die ihm hochmotiviert und vertrauensvoll folgen. Sie scheinen ihn schon in ihr Herz geschlossen zu haben. Unter seinem Dirigat atmet die Musik, die Überleitungen und Wechsel in der Dynamik gelingen mühelos und die Tempi orientieren sich wunderbar an der Musik. Anstatt großer Gesten reicht Tartanis oft eine kleine Bewegung von Kopf oder Schulter, um zu kommunizieren und die Musik zu verändern, was ein wenig an Leonard Bernstein erinnert. So ist der Dirigent selbst das „Winterwunder“, das alle im Raum bezaubert.

Das Programm ist klug gewählt und beginnt mit dem Weihnachtskonzert von Arcangelo Corelli. Der Wechsel von ganzem Orchester und Orchestersoli im Ripieno und Concertino funktioniert traumhaft, jede Verzierung sitzt, und es entsteht eine wohltuende Spannung, die in der Stille nach dem Stück gipfelt. Hier klingt Barockmusik leicht, duftig, und wird mit warmem Vibrato gespielt.

Die Kindersinfonie, ursprünglich Josef Haydn zugeordnet, entpuppt sich mit verschiedenstem Kinderspielzeug als erfrischende Abwechslung. Mit großer Spielfreude agiert das Orchester, das seine helle Freude an den schrägen Lauten der Vogelpfeiferl hat. Die Darbietung der Ouvertüre von „Hänsel und Gretel“ macht auf diesem Niveau Lust, die Oper wieder einmal zu erleben. Ernsthaft und melancholisch wird es nach der Pause mit der 1. Sinfonie des erst 26-jährigen Peter Tschaikowski. Die vier Sätze haben Titel, welche die Sehnsüchte und Hoffnungen in der Winterlandschaft nach Frühling und Sommer programmatisch zeichnen.

Ektoras Tartanis berührt mit wunderbar romantischen Gesten, setzt spannende Pausen und führt absolut sicher durch die vertrackte Rhythmik an der fugenartigen, furiosen Schlusssteigerung. Diese gelungene Interpretation zeigt noch einmal die hohe Qualität der Niederbayerischen Philharmonie – solchen Wohlklang hat man hier seit Langem nicht erlebt.

Nach dieser Sternstunde im Passauer Theater muss der neue Dirigent wohl Ektoras Tartanis heißen. Mit Riesenapplaus und betörenden Bravi-Rufen endet ein außergewöhnliches Konzert.

Carola Baumann-Moritz