Ortenburg
Einmal Renaissance hautnah erleben

Jadwiga Nowaczek und die Volkshochschule laden in Passau und Ortenburg zum Historischen Tanz

01.03.2023 | Stand 17.09.2023, 1:46 Uhr
Doris Wild-Weitlaner

Eine Bassedanse aus dem wertvollen Tanzbuch der Margarete von Österreich (Ende des 15. Jahrhunderts): goldener und silberner Schrift auf schwarzem Pergament. −Foto: Jadwiga Nowaczek

„Halte immer die Mitte deiner Bewegung, dass es nicht zu viel und nicht zu wenig sei, wie auf einer Gondel auf ruhigem Meer“ – so umschrieb Domenico da Piacenza im Renaissance-Italienisch das, was man heute als „nicht zu schlaff oder zu verspannt“ bezeichnen würden – also eine vollendete, in sich ruhende Bewegung.

Dem Tanzmeister und -theoretiker verdankt die Nachwelt eines der grundlegenden Bücher für die Tanzgeschichte, das Tänze mit heute noch rekonstruierbaren Choreographien überliefert. Genau mit dieser Rekonstruktion setzt sich die gebürtige Bielefelderin Jadwiga Nowaczek auseinander und vermittelt ihr Wissen an der Musikhochschule München, im wissenschaftlichen Kreis oder auch in „historischen“ Tanzkursen wie in Ortenburg.

Was ist eigentlich der Historische Tanz? Grundsätzlich alles, was „früher einmal war und was schriftlich notiert wurde oder – wie in unseren Tagen – per Film dokumentiert ist“, erklärt Jadwiga Nowaczek. Für ihr Forschungsfeld zwischen 1450 und 1850 ist das schriftliche Zeugnis von konkreten Schritten ausschlaggebend. „Die erste Quelle überhaupt, die Schritte für Tänze enthält, stammt aus dem französischen Nancy und zwar aus dem Jahr 1445“, erzählt sie. Diese Tanznotate seien nur wenige Jahre vor dem erwähnten Traktat von Domenico da Piacenza datiert.

In jener Zeit dokumentieren die Tanzbeschreibungen ausschließlich Tänze für die höchste Gesellschaftsschicht. Die Bewegungen sind sehr reduziert, sehr vornehm, sehr subtil, mit nur wenigen Grundschritten. „Das ist absolut intellektuell“, beschreibt es die Tanzhistorikerin, die bei ihrer ersten Berührung mit dem Stil der sogenannten Bassedanse bzw. Bassadanza selbst erst skeptisch war. Doch daraus sollte sich eine kleine „Sucht“ entwickeln: „Wenn man sich intensiver damit auseinandersetzt, hat das einen Sog und eine Ästhetik, von der man nicht loskommt. Das ist wirklich einmalig“, schwärmt sie.

Eine Herausforderung in diesem Zusammenhang sei die musikalische Notation. Die Überlieferung erfolge auf Basis von Tenornoten und Buchstaben-Kürzeln für die Schritte, wie die Lehrbeauftragte weiter schildert. „Die Noten zeigen nicht die Länge an, nur deren Höhe. Stimmt die Anzahl der Tenornoten mit jener der Schritte überein, dann können wir es tanzen, sonst nicht.“ Neben den edlen und gemäßigten Bassadanza-Tänzen gab es zeitgleich in Italien auch die abwechslungsreicheren und schnelleren Balli. „Dort sind die Oberstimmen betont. Die Tänzer hängen mehr an der Melodie“, vergleicht die Tanzhistorikerin.

Die nächste Häufung aus Quellensicht fände sich erst Ende des 16. Jahrhunderts wieder. Im Jahr 1588 veröffentlichte der Franzose Thoinot Arbeau ein bedeutendes Tanzbuch. Es sollte der erste Versuch einer verständlichen und an die Musik gekoppelten Tanznotation sein. „Er ist derjenige, der Kreistänze überliefert. Eben solche, die man gleich mitmachen kann“, ergänzt Nowaczek. Im 17. Jahrhundert bricht dann die Epoche der „großartigen Tänze der Barockzeit an mit dem tanzenden König Ludwig XIV. als Mittelpunkt und ab der Mitte des 18. Jahrhunderts die fein ziselierten Tänze des Rokokos, der Mozart-Zeit“.

Zumal sich die Überlieferung und Art der Darbietung mit der Zeit natürlich wandle, hätten jedoch alle Primärquellen zwischen 1445 bis zur Französischen Revolution eines gemeinsam: ihren Bezug zum höchsten Adel. Neben Fürsten und Königen konnte maximal noch das reiche Bürgertum den Luxus von Tanzmeistern leisten. Nach der Französischen Revolution sei der Tanz allmählich bürgerlich geworden, wobei „das Bürgertum immer versucht hat, sich am Adel zu orientieren und diesen nachzuahmen, auch wenn es zunehmend selbstbewusster wurde“, so die Wahl-Passauerin.

„Natürlich haben auch Adelige des Mittelalters getanzt, aber wir wissen nicht wie. Das gilt auch für die Leute am Land. Das zeigen Bilder, die im Rahmen der Ikonographie analysiert werden.“ Zur Rekonstruktion würden sich diese laut Nowaczek jedoch nur bedingt eignen.

Das gesamte verfügbare Primärquellgut liefere wertvolle Grundinformation zur Kulturgeschichte auf dem Gebiet des Tanzes. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Repertoire an höfischen Tänzen des 16. und 17. Jahrhunderts vielfältig ist: von teils sehr komplexen mehrteiligen Tänzen oder virtuosen Sprungtänzen, die selbst für Profis eine Herausforderung darstellen, bis hin zu solchen Tänzen, die fast unmittelbar mitgemacht werden können. Manches bildet gar die Wurzeln dessen, was auch heute noch getanzt wird. So begegnet einem die Renaissance in prächtigen Schreittänzen, schwungvollen Allemanden oder Couranten sowie lebhaften Sprungtänzen, Kreistänzen oder Country Dances.

Wer nun Lust auf ein kulturelles Tanzerlebnis verspürt, dem bieten sich demnächst gleich zwei Möglichkeiten. In Passau startet am 6. März ein im vhs Fitness-Kursstudio ein Schnupperkurs zur Tanzkunst der Renaissance. An drei Montagabenden will dieser Einsteigerinnen und Einsteigern die Vielfalt der Tänze um das Jahr 1600 näherbringen. Bei Interesse wird dieser Kurs auch weiter fortgeführt.

Vom 10. bis 12. März finden zudem, wie bereits im Vorjahr, die Renaissance-Tage im Gräfinnenzimmer von Schloss Ortenburg statt. Für Tanzdozentin Nowaczek war es schon damals „ein großes Gesamterlebnis“, vor allem im Zusammenspiel mit der Architektur. Es sei ein unglaubliches Glück, dort sogar auf historischem Holzboden tanzen zu können und eine tolle Gelegenheit, „wirklich einmal Renaissance hautnah zu erleben“.

Bei beiden Veranstaltungen stehen Freude und Vergnügen im Mittelpunkt. Einzelpersonen wie Paare seien herzlich willkommen. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.