Passauer Konzertwinter
Canticum Novum: Eintauchen in die Klangwelt der Sepharden

15.01.2023 | Stand 25.10.2023, 10:52 Uhr

Bejubeltes Ensemble: (v.l.) Canticum Novum präsentierte in der Passauer Heilig-Geist-Kirche eine betörende,aufwühlende, bisweilen exotische Klangwelt – die Musik der Sepharden. −Foto: Rabenstein

Die Musikliebhaber erkannten die Besonderheit des Konzerts, das der Passauer Konzertwinter am Samstagabend in der Heilig-Geist-Kirche unter dem Titel „Sefardi“ bot: Mit über 150 Gästen war die Kirche brechend voll.

Das Ensemble Canticum Novum aus Frankreich, 1996 gegründet, präsentierte eine betörende, aufwühlende, bisweilen exotische Klangwelt – die Musik der Sepharden. Es sind Gesänge und Stücke aus der Zeit vom 13. bis 17. Jahrhundert von iberischen Juden, die vertrieben wurden und in den östlichen Mittelmeerraum, aber auch ins osmanische Reich und nach Afrika zogen. Überall haben sie musikalische Einflüsse aufgenommen und mit eigenen Traditionen vermischt.

Schon die Instrumente und deren Klanglichkeit waren spannend. So spielte Aliocha Regnard eine große Nyckelharpa, eine Schlüsselgeige mit kurzem Bogen. Der Musiker war meist Melodieführer in der fünfköpfigen Formation, die in Passau auftrat. Das Ensemble hat rund 20 Mitglieder. Er entlockte diesem Streichinstrument, das durch Tasten bedient wird, mal forcierende, mal elegische Töne. Manches erinnerte an die Drehleier. Zu Herzen ging Regnards Eigenkomposition „L’ Exil“, die von Trauer und Melancholie erzählt. Das zweite besondere Instrument war eine Kanun, eine Kastenzither, die in der Türkei und arabischen Länder mit Ringen und Plektrum musiziert wird.

Der Publikumsliebling war Perkussionist Ismail Mesbahi. Er spielte verschiedene Trommeln, auch eine kleine Djembé und ein Tamburin. Da wurden harte schnelle Schläge von weichen Trippeltönen abgelöst, wechselten sich Beats auf das Fell und den Instrumentenkorpus ab, assoziierten kleine Zimbeln einen Hauch von Sehnsucht und Erotik, verhallten leise, kleine Töne auf dem untersten Ende der Djembé wie sich entfernende Schritte. Was Mesbahi da an Rhythmik und Dynamik ablieferte, war sensationell!

Die sephardische Musik wird getragen von Gesang. In Passau waren zwei Stimmen zu hören, die sich wunderbar ergänzten. Emmanuel Bardon, Sprechgesang in baritonaler Lage, der Gründer und künstlerische Leiter des Ensembles, und die Mezzosopranistin Barbara Kusa. Sie interpretierten die Romanzen und Serenaden, die meist nach ihrer Herkunft betitelt wurden und damit auch klarmachten, welcher kultureller Schmelztiegel hier aufgeführt wurde. Kusas Stimme bringt die nötige Melancholie und auch das Temperament für diese Lieder mit. Ihr zum Teil sirenenhafter Gesang erinnert an die große Interpretin sephardischer Musik: Esther Ofarim aus Israel.

Canticum Novum wollen mit ihrer Kunst Brücken bauen zwischen den Kulturen von Orient und Okzident. Das ist ihnen eindrücklich gelungen.

Edith Rabenstein