Passau
Blitzlicht-Erinnerungen an die „Camera“

PNP-Leser blenden zurück an Diskotheken-Institution: „Die Musik hat mich beflügelt, mitgerissen und getröstet“

24.03.2023 | Stand 17.09.2023, 0:30 Uhr

Früher war mehr Pflanze: So sah die „Camera“ am Tag ihrer Eröffnung aus. Gestartet war sie 1979 als „Traffic“, der Name wurde aber bald geändert. −Foto: Mitschelen

Von Franz Danninger

Die Tage der „Camera“ sind gezählt. Wann genau Schluss ist, das steht noch nicht fest, doch ist klar, dass die Disco in absehbarer Zeit geschlossen wird. Dann kommt der Abrissbagger, macht das Buchner-Haus am Ludwigsplatz platt und dann ist sie Geschichte, die Musik-Höhle im Keller.

Geschichten über sie gibt es unzählige. Klar: In 44 Jahren sammelt sich was an. Beziehungen begannen dort, Beziehungen endeten dort, intensive Flirts, durchtanzte Nächte und übermütige Kicker-Partien sind legendär und über allem wummert die Musik, dieser ganz besondere Camera-Sound dringt in die letzte Ritze.

Auf einen PNP-Aufruf hin haben sich Leser gemeldet, unter ihnen Architekt Bernd Mitschelen: „Ich hab‘ damals den Plan gezeichnet.“ Gemäß dieses Grundrisses verwandelte sich 1978/79 ein Weinlager in Passaus Tanzkeller Nummer eins. Neben Ernst Brenner gehört Manfred Lockinger zu den Urvätern.

Doch wie soll die Disco heißen? „Der Brenner Ernst hat den Rudi Klaffenböck beauftragt, einen Vorschlag zu machen“, erinnert sich Mitschelen, der noch heute engen Kontakt pflegt zu Brenner. Aus dem anfänglichen „Traffic“ wurde bald die „Camera“, wegen der Bildüberwachung am Eingang.

Das charakteristische Stangen-Gewirr steuerte Georg Deiner bei, Sanitär-Installateur aus der Michaeligasse, sagt Mitschelen. Dieser Design-Kniff war aus praktischen Gründen geboren, denn alle Scheinwerfer, Lautsprecher und sonstige Hardware fand auf diese Weise problemlos Halt.

Für Bernd Mitschelen entpuppte sich die „Camera“ auch privat zum Erfolgsmodell, „weil da lernte ich Manuela kennen. Wir haben später geheiratet“. Zwei Kinder entstanden.

Christine Berger: „Mit der Camera verbinde ich nicht das eine unvergessliche Erlebnis, vielmehr ist die Camera seit 30 Jahren mein zweites Zuhause. Zugegebenermaßen haben sich meine Ausflüge in das Passauer Nachtleben seit der Geburt meiner Tochter vor 9 Jahren sehr stark reduziert, aber als ich im April letzten Jahres zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder auf der Ü30-Party war, ist mir bewusst geworden, wie sehr sie mir gefehlt hat.

Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte ich nur ich selbst sein und es war, als wäre seit meinem letzten Besuch kein Tag vergangen. Ich traf Freunde und Bekannte, tanzte zu meiner Musik und fühlte mich einfach nur glücklich und frei.
In der Vergangenheit war die Camera der Ort, an dem ich mit meinen Freunden bis zum Morgengrauen durchtanzte, lustige Parties erlebte, endlose Gespräche über alles Mögliche führte oder auch Liebeskummer durchstand. Die Musik dort hat mich beflügelt, mitgerissen und getröstet. Ich wusste, ich konnte immer in die Camera gehen.
Ich möchte Herrn Brenner inständig bitten, nach dem Neubau des Buchner-Hauses die Camera wieder aufzumachen, dann wüsste ich meine Tochter in 10 Jahren gut aufgehoben, wenn sie ihre ersten Ausflüge ins Passauer Nachtleben unternimmt.“

Auch Eva Wellens (60) verbindet mit der Camera „so einiges an Erlebnissen, eine Romanze, die mittlerweile schon 43 Jahre andauert...“ Sie lernte 1980 dort ihren späteren Mann Harald (62) kennen; auch ihre Töchter (39, 33 und 29 Jahre alt) lieben die Disco. „Ein Wochenende ohne ,Camera‘ war kein Wochenende“, stellt Eva Wellens im Rückblick fest. „Man musste sich nix ausmachen, man traf immer jemanden, den man kannte.“

Ihren 18. Geburtstag feierte sie wo? Richtig: in der „Camera“. Sie erinnert sich: „Der Ciesla Alex hat damals eine Flasche Sekt für mich spendiert.“ Und der DJ spielte „Happy Birthday“ von Stevie Wonder zu ihren Ehren.

Bleibenden Eindruck bei der heutigen Leiterin der PTA-Schule in Kohlbruck hat die „Beach Party“ hinterlassen: „Auf der Tanzfläche war dick Sand aufgestreut, überall standen Palmen rum und hinten bei den Billards war tatsächlich ein Planschbecken aufgebaut!“

Zur Schule ging Eva Wellens in Niedernburg „und bei so einer Mädchenschule hat man Auslauf gebraucht!“ Zwei Lieder aus der damaligen Zeit hören die Wellens‘ immer wieder, „Upside down“ (Diana Ross) und „Ride like the wind“ (Christopher Cross). „Ich kriege bis heute Gänsehaut dabei“, gesteht Eva Wellens. Natürlich blutet ihr Herz, wenn die „Cam“ verschwindet, denn sie war zu einer prägenden Phase „nicht bloß eine Disco, sie war damals quasi unser Leben.“

Patricia Outland war als Teenie ein einziges Mal drin, ihr großer Bruder nahm sie mit. Und dennoch ist ihr nach Jahrzehnten noch im Kopf: „Es war eine besondere Geschichte für mich. Ich war bis dahin noch nie in einer Diskothek: sehr verraucht, sehr dunkel... verschiedene Räume, verschiedene Gänge. Und überall diese coole Musik, diese... besondere Musik.

Seltsamerweise war ich später nie mehr selbst drin, als ich volljährig war und hätte dürfen. Ich ging dann ins Ausland und da war‘s dann sowieso vorbei. Aber diese Eindrücke, die werde ich nie vergessen.“