Wie kann man in bedrohlichen oder unangenehmen Situationen helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen? Der Verein Zivilcourage für alle e.V. gibt dafür konkrete Handlungsstrategien an die Hand. Die Kulturredaktion hat bei Robert Harst von Zivilcourage für alle nachgefragt. Im November 2024 gab er einen Workshop bei den Wochen zur Demokratie in Kooperation mit Kolping Passau.
Auf das Opfer konzentrieren
Wie reagiert man richtig, wenn man etwa im Bus Zeuge wird, wie jemand verbal belästigt wird? Robert Harst erklärt: „Konzentration auf das Opfer. Blickkontakt zum Opfer aufnehmen, also non-verbal einen Kontakt herstellen oder auch direkt ansprechen. Im Extremfall die Hand reichen und aus der Situation heraushelfen.“ Vermeiden sollte man dagegen, den Täter direkt anzusprechen, da die gerne zur Eskalation führt.
Menschen ansprechen
Ebenso wichtig ist das gezielte Ansprechen von Umstehenden: „Sprechen Sie Personen direkt an, zum Beispiel mit ‚Sie da, in der roten Jacke! Helfen Sie mit!‘“, rät Harst. So lässt sich der sogenannte „Bystander-Effekt“ durchbrechen – die Neigung, dass Zeugen passiv bleiben, weil sie hoffen, dass jemand anderes eingreift. Wer angesprochen wird, ist eher bereit aktiv zu helfen und zum Beispiel den Notruf abzusetzen.
Notruf-App herunterladen
Dabei bleibt Selbstschutz stets oberste Priorität: „Kleine Schritte statt Heldentaten“, betont Harst. „Niemand soll zum Hilfssheriff werden“. Wer nicht direkt eingreifen kann, sollte sich stattdessen auf das Verständigen der Polizei konzentrieren. Für solche Situationen empfiehlt der Experte die „Nora-Notruf-App“. Die App alarmiert Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst und nutzt die Standort-Funktion des Handys, um die entsprechende Einsatzleitstelle zu erreichen. Der Notruf kann ohne zu sprechen abgesetzt werden und ermöglicht so Diskretion in brenzligen Situationen und Barrierefreiheit.
Emotionen erkennen
Zivilcourage kann auch gefragt sein, wenn etwa im Gasthaus am Nebentisch Stammtischparolen fallen. Workshopleiter Robert Harst rät: „Am effektivsten ist es hier, tatsächlich Kontakt mit dem Nebentisch aufzunehmen und dann mit Einzelnen ins Gespräch zu kommen. Oft geht es hier um Emotionen. Man kann die Person dann bitten, ihre Meinung mit konkreten Beispielen zu belegen und einfach nachfragen. Viele fühlen sich dadurch ernst genommen und gehen eher ins Gespräch.“ Harst betont, dass es auch völlig in Ordnung ist, das Lokal zu verlassen, wenn die Situation unangenehm wird.
Bewusst im Alltag üben
„Unser Ziel ist es, einen ‚Werkzeugkasten‘ zu verbreiten, der verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufzeigt“, erklärt Harst. „Wir laden immer dazu ein, das Gelernte im Alltag auszuprobieren“. Eine gute Gelegenheit dafür biete sich zum Beispiel im ICE, wenn jemand im Ruheabteil laut telefoniert. Hier könne ein freundlicher Hinweis die Störung schnell beheben.
Charlotte Hofer
Kontakt zum Verein Zivilcourage für alle
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