Unter den Festivals der Region ragt eines heraus mit seinem Thema und Anliegen. Am Donnerstag beginnen in Passau die Wochen zur Demokratie, von 7. bis 17. November widmen sie sich der politische Kultur und der alten und stets jungen philosophischen Frage: Wie wollen wir (zusammen)leben? Über das Konzept sprachen wir mit dem Ausstellungsmacher und promovierten Kulturwissenschaftler Winfried Helm.
Herr Helm, seit eine rechtsextreme Partei 30 Prozent bei Wahlen in Deutschland bekommt, heißt es, wir müssen die Demokratie verteidigen. Wie machen wir das, gerade auch auf lokaler Ebene?
Winfried Helm: Da muss man ein bisschen über den Begriff Demokratie nachdenken – auch Nordkorea, Jemen und Kongo nennen sich ja Demokratie. Man muss den Begriff also mit Leben füllen. Uns ist bei den Wochen zur Demokratie insbesondere die demokratische Kultur wichtig. Es geht also um mehr als eine Verfassung und eine bestimmte politische Struktur. Uns geht es letztlich nicht darum zu erklären, was Demokratie ist, sondern uns geht es darum, ins Gespräch zu kommen – und dadurch kann sich auf kommunaler Ebene was weiterentwickeln.
Ihr Spektrum an Veranstaltungen reicht vom Tanzabend zum Argumentationstraining gegen Stammtischparolen.
Helm: Der Austausch, um den es uns geht, der passiert bei Workshops genauso wie bei kulturellen Veranstaltungen. Gerade Theater ist eine Probebühne des Lebens. Über allen Veranstaltungen steht bei uns ja „Demokratie“ – damit haben wir alle die Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen darüber, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen und wie wir zusammenleben wollen. Damit wird Demokratie dann lebendig.
Kann man auch mit politisch Extremen ins Gespräch kommen? Sie könnten zum Beispiel einen deutschen Heimatabend veranstalten und sehen, wer so kommt.
Helm: Ja, wir haben darüber gesprochen, welche Szenarien es da geben könnte – sind aber davon abgerückt. Vielleicht kommt sowas mal, das braucht dann eine sehr gute Choreografie, Organisation und Moderation. Wir wollen uns als Initiative in der Region immer stärker vernetzen, und vielleicht gibt es von extern so einen Impuls, den wir dann aufgreifen. Klingt jedenfalls reizvoll.
Die Demokratie in Deutschland lebt von der Repräsentanz und Arbeit in den Parteien – warum treten keine Parteien auf bei den Wochen zur Demokratie?
Helm: Das hängt ein bisschen damit zusammen, dass man dann leicht den Vorwurf kriegt, parteilich zu sein. Wir haben von Anfang an versucht, ohne die Mitwirkung von Parteien zu agieren, aber natürlich ist es so, dass der eine oder andere eine Nähe zu dieser oder jener Partei hat. Wir fühlen uns wohl dabei, in den Veranstaltungen Parteilichkeit zu vermeiden.
Wäre es interessant, alle im Passauer Stadtrat vertretenen Parteien zum öffentlichen Gespräch an einen Tisch zu bringen?
Helm: Vielleicht kann sich sowas entwickeln. Gerade sind wir mit der Stadt Passau auf einem guten Weg der Kooperation, wir kriegen heuer wieder einen Zuschuss zu den Wochen zur Demokratie und werden auch für nächstes Jahr einen Antrag stellen. Wir sind sehr froh darüber, dass sich diese Kultur des Gemeinsamen entwickeln kann!
Raimund Meisenberger
Das Gesamtprogramm finden Sie auf wochen-zur-demokratie.de
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