Zum Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel sind gestern bundesweit Menschen auf die Straße gegangen. Auch in Passau haben rund 80 Personen am Ludwigsplatz an einer Gedenkkundgebung für die Opfer des Angriffs teilgenommen. Wegen der Befürchtung, es könnte aufgrund der heiklen politischen Lage zu Ausschreitungen kommen, waren die Einsatzkräfte der Polizei in erhöhter Alarmbereitschaft und „entsprechend sensibilisiert“, sagte der Einsatzleiter gegenüber der PNP. „Die Kundgebung in Passau verlief aber letztlich so weit friedlich und ohne Vorkommnisse.“
Noch immer werden rund 100 Geiseln festgehalten
Als Zeichen der Solidarität und des Gedenkens schickten die Teilnehmer gleich zu Beginn gegen 18.15 Uhr gelbe Luftballone in den Himmel und erinnerten damit an die Opfer des 7. Oktober 2023. Im Morgengrauen erreichte damals der seit Jahrzehnten schwelende und hochkomplexe Nahostkonflikt zwischen Israelis und Palästinensern eine neue Eskalationsstufe: Die Terrororganisation Hamas feuerte Tausende Raketen aus Gaza nach Israel. Dazu drangen bis zu 3000 Hamas-Kämpfer in den Süden Israels ein.
Insgesamt wurden so allein an diesem Tag nach israelischen Angaben rund 1200 Menschen ermordet sowie 251 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Ein Jahr später werden immer noch rund 100 davon festgehalten, die Kämpfe dauern derweil weiter an.
„Es ist die Hamas, die Israel angegriffen und ein Massaker angerichtet hat“
In Passau hatte die Gedenkkundgebung am Ludwigsplatz die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) organisiert. Mehrere Redner ordneten dabei die Geschehnisse des 7. Oktober ein und erklärten, warum es eine stärkere Solidarisierung mit Israel sowie Distanzierung von der Hamas braucht – unter anderem der Inhaber des Lehrstuhls für Politikwissenschaften an der Uni Passau, Prof. Lars Rensmann. Da er allerdings verhindert war, verlas seine Rede Sofia Omelianchuk, stellvertretende Vorsitzende der DIG Passau. Demnach müsse sicherlich auch die israelische Regierung Verantwortung für ihre „Mitverantwortung am Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung“ übernehmen. Doch, so betonte Prof. Lars Rensmann in seiner Rede, „es ist die Hamas, die Israel angegriffen und ein Massaker angerichtet hat. Es ist die Hamas, die die Vernichtung des israelischen Volkes, der Jüdinnen und Juden, fordert“.
13-jährige Israelin: „Hatte jede Nacht Albträume“
Diese Tatsachen hätten aber „in der Weltöffentlichkeit wenig Gewicht und werden schulterzuckend hingenommen“, so der Professor. „Statt einer Welle der Solidarität erleben wir das Gegenteil – eine Welle des Antisemitismus. Dem müssen die Strafbehörden, aber auch wir als Gesellschaft entschiedener entgegentreten.“
Anschließend trat die 13-jährige Israelin Nechama Pollak aus Jerusalem, die sich zurzeit mit ihrer Familie im Urlaub in Deutschland befindet, ans Mikrofon. Mit stockender Stimme, teils unter Tränen schilderte sie ihre Erlebnisse seit dem 7. Oktober. „In den ersten Wochen danach hatte ich jede Nacht Albträume, dass die Terroristen unser Haus stürmen und uns alle töten“, sagte sie auf Englisch. „Geholfen hat mir nur der Zusammenhalt in unserem Land. Alle Israelis fühlen sich, als wären sie Geschwister. Das war ein wunderbares Gefühl. Und deshalb bedeutet mir auch die Solidarität der Deutschen sehr viel und ist sehr wichtig für uns.“
Korrektur: In einer ersten Fassung des Textes hieß es in einem indirekten von Prof. Lars Rensmann, auch die israelische Regierung müsse Verantwortung für ihre „begangenen Gräueltaten“ übernehmen. Damit sah sich der Redner aber falsch wiedergegeben. Denn der Begriff „Gräueltaten“ suggeriere „eine vorsätzliche sadistische Brutalität gegenüber Zivilisten“ seitens Israels, wovon allerdings „im Gegensatz zu den Verbrechen der Hamas nicht gesprochen werden kann“.
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