Zumindest die Grünen sind sich grenzübergreifend einig, auf was es beim Hochwasserschutz ankommt. Die grüne bayerische Landtagsfraktionsvorsitzende Katharina Schulze und der grüne oberösterreichische Umweltminister Stefan Kaineder haben am Montag an der Passauer Ortspitze einen „Hochwasserschutz-Pakt Bayern-Oberösterreich“ mit sechs Forderungen unterzeichnet.
Den Pakt haben die Grünen von dies- und jenseits der Grenze miteinander geschlossen, aber die vereinbarten Forderungen richten sie nicht ans Gegenüber, sondern an die Staatsregierungen, vor allem an die bayerische mit Ministerpräsident Markus Söder. Der oberösterreichischen Landesregierung gehört Stefan Kaineder als Landesrat für Umwelt- und Klimaschutz selbst an, er ist auch Landessprecher der Grünen Oberösterreich.
Sechs Forderungen vor allem für natürlichen Flutschutz
Das sind die sechs Forderungen, auf die sich die Grünen mit ihrem Pakt verständigt haben:
Mehr Vorsorge statt immer wieder Nachsorge – Wasserrückhalt in der Fläche fördern. Statt Entwässerung der Landschaft brauche es Schwamm-Landschaften, die viel Wasser aufnehmen wie Wälder, natürliche Wiesen, wiedervernässte Moore, poren- und humusreiche unverdichtete Böden und Hecken.
Den Flüssen mehr Raum geben. Das Wasser müsse wieder mehr Platz bekommen („Breitwasser statt Hochwasser“). Das erfordere die Renaturierung der Zuflüsse und Auen, Wiederherstellung ehemaliger Flussschleifen, Wiederanbindung der Auen an den Fluss. Retentionsflächen spielten eine wichtige Rolle.
Mehr Geld, mehr Tempo. Der Freistaat Bayern müsse die finanziellen Mittel für den Hochwasserschutz verdoppeln, und damit auch die Geschwindigkeit.
Bodenschutz ist der beste Hochwasserschutz – mehr Grün, weniger Beton und Asphalt. Die Speicherfähigkeit des Bodens in der Landwirtschaft solle wiederhergestellt und die Versiegelung der Landschaften wirksam eingedämmt werden. Dafür brauche es ein Entsiegelungs-Programm, das wirklich einen Anreiz schafft.
EU-Renaturierungsgesetz umsetzen. Die Renaturierungsverordnung sei eine Versicherung gegen Naturkatastrophen. Das wichtigste EU-Naturschutzgesetz bringe dringend nötige Maßnahmen zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme. Die Verordnung sorge dafür, dass Flüsse in ihren natürlichen Zustand versetzt, Wälder aufgeforstet und Moore wiedervernässt werden.
Mehr Personal für die Hochwasserschützer vor Ort. Die 17 bayerischen Wasserwirtschaftsämter als Wächter des Wassers seien seit Jahren personell auf Kante genäht. Sie müssten um 100 zusätzliche Stellen aufgestockt werden.
Kritik: Es fehlt an politischen Entscheidungen
Das Motto „nach mir die Sintflut“ müsse beendet werden, richtet Katharina Schulze Kritik an die Bayerische Staatsregierung, der sie „Flutdemenz“ vorwirft: Immer wenn eine Hochwasserkatastrophe vorbei ist, sei sie vergessen. Und während die Staatsregierung vorwiegend auf technischen Hochwasserschutz setze und „nicht einmal besonders erfolgreich damit ist“, wollten die Grünen vor allem den natürlichen Hochwasserschutz stärken, der freilich mit dem technischen zusammengehöre.
Landesrat Kaineder erklärt es so: „Auf der Beamten-Ebene besteht durchaus Einvernehmen und eine gute Zusammenarbeit. Aber auf der politischen Ebene sehen wir immer stärker, dass viel geredet wird und wenig gemacht.“
Um negative Auswirkungen in Oberösterreich aufgrund unzureichender Schutzmaßnahmen auf bayerischer Seite zu reduzieren, habe er sich gemeinsam mit Landeshauptmann Thomas Stelzer in einem Schreiben an Ministerpräsident Söder gewandt. Die Antwort stehe noch aus.
Die Forderung „wir müssen viel sorgsamer mit dem Boden umgehen“ illustriert Kaineder so: Ein Quadratmeter gesunder Boden nehme eine volle Badewanne von 200 Litern Wasser auf, verdichteter Boden dagegen sehr viel weniger und versiegelter Boden null.
Als Kompetenz vor Ort hatten die Grünen den Passauer Stadtbrandrat Andreas Dittlmann zu ihrem Termin geholt. Der gab ihnen in der Sache recht: „Ich bin froh um solche Forderungen, egal von wem sie kommen. Für uns ist wichtig, dass Entscheidungen getroffen werden – und wann sie umgesetzt werden.“ In Passau habe es zehn Jahre gebraucht, „bis wir jetzt so weit sind, dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben. Das hängt mit Entscheidungen zusammen und mit dem benötigten Geld.“
Mit ihrem Pakt wollen die Grünen die Bedeutung grenzübergreifender Partnerschaft verdeutlichen. Zwangsweise seien immer die unterhalb liegenden Orte die Leidtragenden, ganz ungeachtet von Landesgrenzen. „Oberösterreich und Bayern sind gute Nachbarn und helfen einander aus. Deshalb suchen wir auch beim Hochwasserschutz den Schulterschluss“, bekräftigt Katharina Schulze. „Es geht nicht nur um das Eigentum der Menschen, es geht auch um Menschenleben.“
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