Schneller, höher, weiter, ihr Passauer!
Ein eiskalter und explosiver Schmetterling

31.07.2024 | Stand 31.07.2024, 11:00 Uhr |

Die Welt schaut auf Paris – die Lokalredaktion auf unsere Stadt: Während sich in der französischen Hauptstadt Sportler aus 206 Nationen messen, stellen wir in unserer Serie Passauer vor, die in einer der 32 olympischen Sportarten Flagge zeigen: Schneller, höher, weiter, Passauer!
Heute: Die Schwimmerin Julia Manke(18).

Julia lernt mit 33 Monaten Schwimmen



Ein Türmchen mit Bauklötzen bauen, Sätze mit drei Wörtern brabbeln, Treppensteigen: Das kann ein Kind mit zwei Jahren. Und Julia Manke? Sie schwamm. Zarte 33 Monate war sie, als ihre Mutter vorbeugen wollte: Ihr Kind sollte nicht zu der ständig steigenden Zahl an Nichtschwimmern gehören.

Schmetterling schwimmen: Explosiv und harmonisch

– zumindest bei Julia
Laut DLRG sind 58 Prozent der Zehnjährigen noch keine sicheren Schwimmer. Julia Manke schwamm also gegen den Strom. Das Wasser wurde ihr Element. An Land sah man die Wasserratte eher selten.
Das blieb bis heute so. Korallenfarbiger Arena-Schwimmanzug, darauf abgestimmte Badekappe und Schwimmbrille: Julias Schwimmoutfit passt perfekt zusammen. Genauso wie ihre Bewegungen, wenn die mittlerweile 18-jährige Passauerin elegant mit einem Hechtsprung ins kühle Nass der Bahn vier des peb gleitet. Die ersten zehn Meter taucht Julia mit gestreckten Armen durchs Becken. Delfin-Kicks mit den Beinen beschleunigen sie. Als ihr Kopf auftaucht, passiert die eigentliche Magie: Die 18-Jährige setzt mit ihren Armen zu einem „Flügelschlag“ an, während durch ihren Körper vom Brustkorb bis zu den Füßen eine Wellenbewegung verläuft. Das Wasser schaufelt sie unter sich durch. Dynamisch und doch harmonisch katapultiert sich Julia vorwärts. Zwei Bahnen weiter driften Schwimmerinnen mit Blümchen-Badekappen in der Geschwindigkeit von Treibbojen durchs Wasser. Was für ein Kontrast zur energiegeladenen, explosiven Julia.

Schwierigste Technik und kräfteraubend: Für Julia kein Problem


Die Abiturientin aus Passau führt gerade ihren Lieblings-Schwimmstil vor: Schmetterling. Mit den fragilen, beschaulichen Faltern hat diese Art zu Schwimmen allerdings wenig zu tun. Schmetterling, früher auch Delfin genannt, ist nach dem Kraulen die zweitschnellste Schwimmart und gilt als die schwierigste, kräfteraubendste, am hartnäckigsten zu erlernende Technik. Kein Problem für die vor Kraft strotzende, braungebrannte Manke. Schmetterling ist die Schwimmart für die Könner mit dem Schwimmerkreuz. So wie für Carlo Pedersoli. Von diesem neapolitanischen Schwimmer finden sich Schmetterlingsvideos im Internet. Wie man diese findet? Man tippt „Bud Spencer“ in die Suchleiste. Denn unter diesem Künstlernamen machte der 1,94 Meter große Hüne Karriere auf der Leinwand, nachdem er sich zuvor als Straßenbauer über Wasser gehalten hatte und vor allem Olympiateilnehmer im Schwimmen gewesen war.

Auch Bud Spencer schwamm bei Olympia mit


1952 in Helsinki und 1956 in Melbourne war Pedersoli dabei, wurde einmal Elfter. Bei Bud Spencers zweiten Spielen feierte Schmetterling olympische Premiere.
Gekrault wurde bei allen Olympischen Spielen der Neuzeit. Zunächst in natürlichen Gewässern, wie 1896 in der athenischen Bucht von Zea, fanden die Schwimmwettkämpfe seit London 1908 in einem Pool statt. Mittlerweile werden 35 unterschiedliche Disziplinen geschwommen, seit 1912 erweitert durch Frauen-Rennen.

Erste Goldmedaille durch Schwimmer Lukas Märtens (22)


Bei den Spielen vor Paris konnten die deutschen Schwimmer der Konkurrenz kaum das Wasser reichen. Zuletzt kürte sich Britta Steffen zur Gold-Britta. Bei den Männern gab es seit dem Sieg von Michael Groß über 200 Meter Schmetterling vor 36 Jahren keinen Sieg mehr. Bis zum ersten Wettkampftag in Paris: Der 22-jährige Lukas Märtens erschwamm die erste Goldmedaille für die Deutschen dieses Jahr.

Bahn an Bahn mit Olympia-Teilnehmern


Julia Manke verfolgt Olympia fleißig vor dem Fernseher. Die Profis dort sind für sie nicht unerreichbare Stars auf Postern an ihrer Zimmerwand. Julia Manke ist schon Bahn an Bahn mit ihnen geschwommen. Zum Beispiel mit Freiwasser-Weltmeisterin Leonie Beck (27): Die Olympia-Fünfte von Tokio wird am 8. August in der Seine über 10 Kilometer auf Medaillenjagd gehen. Julia kennt Beck von den deutschen Freiwasser-Meisterschaften im Juni 2023: „Da habe ich erst gemerkt, wie solche Profis ticken. Für die waren die deutschen Meisterschaften damals nur ein Aufwärmen vor der EM die Woche drauf, eine Art Probelauf“, berichtet Julia Manke.

Der kalte Sprung ins Wasser – Training als Eisschwimmerin



Freischwimmen als Zusatzprogramm wurde 2008 bei Olympia eingeführt. Ein weiterer Schritt wäre für Julia Manke besonders spannend. Denn die Passauerin ist mit allen Wassern gewaschen, insbesondere mit den eiskalten. Als begeisterte Eisschwimmerin hofft sie, dass die frostigen Wettkämpfe bald unter den fünf Ringen stattfinden werden. Von Eisschwimmen spricht man, wenn die Temperaturen unter zapfigen fünf Grad liegen.

Also Eisschwimmen bei den Olympischen Winterspielen? 2018 im südkoreanischen Pyeongchang war die vergleichsweise junge Sportart schon als olympischer Demonstrationswettbewerb im Gespräch. Doch daraus wurde nichts, ebenso wie 2022 in Peking. Vielleicht 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo? Diese Vorstellung hätte schon was: Am gleichen Tag kämpfen Franziska Preuß, Markus Eisenbichler und Julia Manke um das Edelmetall.

Eisschwimmen liegt im Trend



Vor einem solchen Erfolg haben die Götter allerdings den Schweiß gesetzt. Im Fall der Julia Manke vielleicht auch die Frostbeulen. Auf alle Fälle springt sie einmal wöchentlich beim Verein Serwus Burghausen ins kalte Wasser. Dort betreut sie Cheftrainer Stefan Hetzer (70), der unter anderem die DDR-Ikone Kristin Otto – sie gewann sechs Goldmedaillen – coachte. Bei den Fahrten sitzt die 18-Jährige mittlerweile oft selbst am Steuer. Eine Erleichterung für ihre Mama, die sonst die Tochter von den drei Flüssen Passaus zu Salzach und Wöhrsee kutschierte? „Nicht unbedingt. Meine Mama ist immer gern dabei und schwimmt tatsächlich auch mal mit.“

Eisschwimmen liegt auch im Trend: „Gerade während Corona haben viele die Sportart für sich entdeckt“, freut sich Julia. Die Trainingsmöglichkeiten in Burghausen sind mit der Outdoor-Möglichkeit Wöhrsee und der eiskalten Indoor-Schwimmhalle zum Eisschwimmen ideal.

Julia gibt Tipps an Warmduscher



Julias Tipp – sie war nach eigenen Aussagen früher auch kälteempfindlich – an alle Warmduscher: Von Mal zu Mal kälter duschen und alle, die sich sonst nur im Juli und August in die Seen wagen, sollen bis September schwimmen gehen.

Sponsoring bei Aquafeel



Julia kennt sich aus. Schließlich schrieb die ASG-Absolventin ihre W-Seminar-Arbeit zum Thema Eisschwimmen. Sie ist Expertin auf diesem Gebiet – auch nach außen hin: Aktuell wird sie gesponsert vom Schwimmausstatter Aquafeel, trägt deren Badeanzüge bei größeren Events. Bisher hat sie im Rahmen des Sponsorings einen Carbon-Badeanzug geschenkt bekommen, der kostet zwischen 300 und 500 Euro.

Schwimmen – ein ganz schön teurer Sport



„Die Leute denken immer, Schwimmen sei nicht teuer. Wer es aber professionell betreiben will, muss ganz schön tief in die Taschen für Ausrüstung greifen“, seufzt Julia. Mama Doris kann davon ein Lied singen: „Bei der Ausrüstung bleibt es ja nicht: Startgelder für die Wettbewerbe kommen hinzu, außerdem Hotel- und Flugkosten für Schwimmwettkämpfe im Ausland.“

„Schule geht immer vor.


Dieses Jahr war dies nur eingeschränkt möglich: Die Passauerin schrieb am Adalbert-Stifter-Gymnasium ihr Abitur und „Schule geht schon immer vor“. Die neugewonnene Freiheit widmet Julia dem Schwimmen: Wenn sie von ihrer Tätigkeit als Bademeisterin im peb erzählt ist sie ganz in ihrem Element, dem Wasser. Wobei sie doch meistens draußen steht: Reinhüpfen und jemanden vor dem Ertrinken retten musste sie zum Glück noch nie.

Nebenjob als Bademeisterin im peb


Und dann wäre neben ihrem Job noch das Training. Wenn nicht, wie gerade, Sommerpause ist, trainiert sie mit ihren Schwimmkollegen vom TV Passau fünf- bis sechsmal die Woche. Zusätzlich gehen sie gemeinsam einmal wöchentlich in den Kraftraum, Julia versucht es sogar öfter zu schaffen. Latziehen, Klimmzüge und Seilziehen – keines ihrer Trainings fällt ins Wasser, Julia ist konsequent. Mindestens 20 Kilometer legt sie derzeit wöchentlich auf Wasser zurück.

Julia könnte schon annähernd ein Viertel der Erde schwimmend umrundet haben



Hochgerechnet könnte Julia in ihrer Schwimmlaufbahn schon fast ein Viertel der Erde schwimmend umrundet haben. Bis die Schwimm-Welt ihr allerdings ganz gehört, dauert es noch etwas. Julia war schon immer klar: „Vom Schwimmen kann man leider nicht leben.“ Die Abiturientin studiert nun ab Oktober BAE in Passau, eine Mischung aus Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre. „Meine Lehrerin in der Mittelstufe hat mich so sehr für das Fach Wirtschaft begeistern können, sodass diese Entscheidung nie schwer war“, erzählt sie.

Die gesamte Familie Manke ist sportnarrisch


In die medizinischen Fußstapfen ihrer Eltern wird Julia nicht treten: Papa Tobias Manke führt eine Allgemeinmedizin-Praxis in Tiefenbach und Mama Doris ist MFA im Klinikum Passau.
Doch die Mankes verbindet eines: Sie sind alle drei sportnarrisch. Tobias Manke ist auf dem Radl unterwegs, Mama Doris bevorzugt auf Skiern. Sie ist im Ski-Club Passau als stellvertretende Vorsitzende aktiv. Julia ist dort auch im Nachwuchsteam, will dieses Jahr ihre Skitrainer-Lizenz schaffen.

Badekappen statt Pumps, Stöckelschuhe und Ballerinas



Welche Leidenschaften sie sonst noch hat? Von Frauen gibt es das Klischee, dass sie Stöckelschuhe, Ballerinas und Pumps horten und Schuhschränke zum Überquellen bringen. Julias Sammlungen sind andere: über zehn Rennanzüge und − schließlich kriegt sie die oft als Mitbringsel bei Wettkämpfen – mehr als 100 Badekappen. Lassen sich schließlich auch leichter verstauen.

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