Festival Young Classic Europe
Die furiose Rückkehr der Barfuß-Trompeterin nach Passau

27.10.2024 | Stand 27.10.2024, 15:00 Uhr |
Philipp Heidepeter

Barfuß ist ihr Markenzeichen – und exzellentes Trompetenspiel: Lucienne Renaudin mit dem Akkordeonisten Félicien Brut.  − F.: Sebastian Ambrosius

Der erste Eindruck ist ein optischer: links Lucienne Renaudin Vary, barfuß und im hellen Kleid, das mit dem Trompetensilber wetteifert, rechts dagegen ganz in schwarz Félicien Brut, Ton in Ton mit seinem Akkordeon. Für die beiden französischen Shootingstars, die nach getrennten Auftritten in den vergangenen Jahren als Duo zu Young Classic Europe in die volle Heilig Geist-Kirche zurückkehrten, ist das Farbschema nicht bloß modisches Statement, sondern oft auch eine Metapher für die Rollenverteilung.

Brut verleiht den Duetten klangliche Tiefe, kombiniert Basslinien mit schillernden Obertönen, etwa bei Auszügen aus Piazzollas Oper „Maria de Buenos Aires“, wo sein Akkordeon auch mal als Perkussionsinstrument herhalten muss. Sein Spiel ist intensiv und körperbetont, seine französisch-englischen Moderationen sind sympathisch wirr, und insbesondere bei Tangos wie Gallianos „Tango pour Claude“ passt auch sein dramatisches Minenspiel.

Renaudin Vary hingegen moderiert charmant, bleibt im Ausdruck sachlicher, erhabener, müheloser, und sorgt für strahlende Momente, etwa mit sauber abperlenden Läufen in Höhnes „Fantasie Slave“, bei der das Akkordeon mal eben das eigentlich vorgesehene Orchester kompensiert, oder in der Auftragskomposition „Perfect Match“ von Fabien Waksman, die der Partnersuche in Zeiten von Tinder gewidmet ist.

Hier lässt sie die Trompete im ersten Satz gezielt auch mal roher klingen und entlockt dem Blech mit verschiedenen Trichtern ganz neue Farben. Beide beherrschen ihre Instrumente tadellos, ob bei flinken Passagen oder bei träumerischen, zärtlich-warmen Stellen, und machen als Duo so viel Spaß, dass das Publikum sie auch nach zwei Zugaben nur ungerne entlässt. Dies spricht auch für die Arbeit des Festivalteams – es ist ein gutes Zeichen, wenn solche Hochkaräter so gerne und so furios erneut nach Passau kommen.

Philipp Heidepeter


Demnächst: Orelon Klaviertrio, Do. um 19 Uhr, Heiliggeistkirche

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