Niederbayer berichtet
14 Wochen im Koma: Covid-19 und der lange Weg zurück ins Leben

27.12.2020 | Stand 20.09.2023, 23:28 Uhr

Erich Altmann, aufgenommen in einer Reha-Klinik. 14 Wochen im Koma. Beatmungsgerät, Lungenmaschine, Reanimation. 20 Kilogramm Gewichtsverlust. Der 52-jährige Erich Altmann wäre an Covid-19 beinahe gestorben. Seit Monaten kämpft er sich in der Reha in sein früheres Leben zurück. −Fotos: Armin Weigel/dpa

Der 52-jährige Erich Altmann wäre an Covid-19 beinahe gestorben. Seit Monaten kämpft er sich in der Reha in sein früheres Leben zurück. Coronaleugner kann er nicht verstehen.

Er hat das Coronavirus besiegt. Aber die Folgen der Infektion werden ihn noch sehr lange begleiten: Erich Altmann aus dem niederbayerischen Straubing erkrankte im Frühjahr lebensbedrohlich an Covid-19. Nach zehn Monaten in fünf Kliniken sitzt er während der Reha im Rollstuhl und sagt: "Mir geht"s gut!" Jammern kommt dem vierfachen Vater nicht in den Sinn. Stattdessen hat er eine Botschaft an Maskenverweigerer und Coronaleugner: "Sie können sich bei mir gerne anschauen, welche schlimmen Folgen Covid-19 hat."

Rückblick: Mitte März geht Altmann mit starken Erkältungssymptomen ins Krankenhaus. Nach einem positiven Coronatest versetzen ihn die Ärzte ins Koma. Er wird beatmet. Auch seine Frau ist infiziert, darf aber nach wenigen Tagen wieder nach Hause. Die Tests der vier Kinder sind negativ. Wo sich Altmann und seine Frau das Virus eingefangen haben, ist unklar.

Mit Blutplasma von Ex-Corona-Infizierten behandelt

Als sich der Zustand des 52-Jährigen dramatisch verschlechtert, wird er in die Uniklinik Regensburg geflogen. Er kommt an eine Lungenmaschine und wird unter anderem mit Blutplasma von Ex-Corona-Infizierten behandelt, die Antikörper gebildet haben. Wochenlang ringt er mit dem Tod.

"Covid-19 kann eine fürchterliche Erkrankung sein. Manchmal zu viel für einen Menschen", sagt der Leiter der Intensivstation der Uniklinik Regensburg, Professor Thomas Müller. Bislang gebe es noch keine wirklich effektive Therapie. Man lerne über die Krankheit und die Behandlung der Patienten zwar immer mehr, jedoch: "Es gibt noch viel zu forschen."

Altmann erinnert sich an den Moment des Aufwachens in der Klinik: "14 Wochen im Koma. Als ich das erfahren habe, das war ein Schock", sagt er. Das Sprechen fällt ihm schwer. Das muss er neu lernen, wie auch sitzen, gehen, essen und trinken. Trotzdem ist er froh: "Natürlich hätte ich mir das gerne erspart. Aber ich hatte großes Glück und habe das Schlimmste überstanden."

Erheblicher Sauerstoffmangel im Blut

Eine so lange Zeit im Koma führe bei den Patienten zu einer schweren Muskelatrophie (Muskelschwund), die sich auch auf die Nerven auswirke, erläutert der Chef der Neurologie in der Rehaklinik Schaufling, Helge Matrisch. Zudem bedeute Covid-19 einen erheblichen Sauerstoffmangel im Blut. Nach dem Koma seien die Patienten nicht einmal mehr in der Lage, auch nur den Arm leicht anzuheben. Die Reha dauere meist Monate und Jahre.

Matrisch spricht von einer enormen physischen und psychischen Belastung für die Patienten. Eine positive Einstellung könne helfen. "Wer sich in dieser Situation hängen lässt, wird zum Pflegefall", sagt er. "Wer aber den Willen hat, kann weit kommen." Altmann mangelt es am Willen nicht. Er ist hoch motiviert: "Ich mache Fortschritte."

In der Klinik hat er einen voll gepackten Trainingsplan. Gemeinsam mit seinem Physiotherapeuten Lukas Maurer übt er gerade das Gehen mit einem Unterarmrollator. In den Beinen ist er noch wackelig. "Aber ich muss ihn nicht mehr stützen", sagt Maurer, der zur Sicherheit neben Altmann geht. Den strengt das Training sichtlich an. Es fehlt ihm noch die Kraft, jeder Schritt erfordert höchste Konzentration.

Altmann hat sich hohe Ziele gesteckt

Er sei schon immer ein Kämpfer gewesen, sagt der Sportreporter, der begeisterter Fußballer ist und früher in der vierten Liga spielte. Was ihn anspornt, sei der große Rückhalt seiner Familie, Freunde und Kollegen. Und ein wenig schwarzer Humor schade auch nicht, sagt er.

Altmann hat sich hohe Ziele gesteckt: Irgendwann will er in seinen Beruf zurückkehren. Mit der linken Hand könne er bereits tippen. Und: "Ich will wieder Fußball spielen." Jetzt steht aber zunächst ein anderer Schritt bevor: Nach knapp zehn Monaten in fünf Kliniken darf er zum Start ins neue Jahr für ein paar Wochen nach Hause. Viele Besucher hätten sich angekündigt. "Es gibt eine Warteliste", sagt er lachend.

Die gute Laune hat ihm das Virus nicht genommen. Eine Sache mache ihn aber wütend: Maskenverweigerer und Coronaleugner.

− dpa