Pfarrkirchen
Vor dem Krieg geflohen: Syrischer Barbier lebt im Rottal seinen Traum

11.08.2018 | Stand 21.09.2023, 5:49 Uhr

Ruhig und mit sicherer Hand führt Schemdin Abdul Aziz das Rasiermesser – sehr zum Gefallen von Josef Hochwimmer, der sich danach begeistert zeigt. − Fotos: Huber

Der 20-jährige Schemdin Abdul aus Syrien kam als Flüchtling nach Deutschland. Nun arbeitet er im "Gentlemen’s Barbershop" in der Lindnerstraße in Pfarrkirchen (Landkreis Rottal-Inn) und lebt dort seinen Traum.

Sanft gleitet das scharfe Rasiermesser über das schaumbedeckte Kinn von Josef Hochwimmer. Der Pfarrkirchner entspannt sich im Lederstuhl, schließt die Augen. Zug um Zug entfernt Schemdin Abdul Aziz die Stoppeln – ruhig, akkurat und mit sicherer Hand. Der 20-Jährige ist schließlich ein Meister seines Fachs, hat das Handwerk von der Pike auf gelernt.

Alles beginnt in Kamisli, einer Stadt im kurdischen Norden Syriens, wo Schemdins Vater einen Barbershop besitzt. In dem wächst er quasi auf, verfolgt täglich aufmerksam, wie sein Vater die Klinge führt – und hat sein Vorbild gefunden. Zunächst darf der Bub aber nur die Haare zusammenkehren und die Spiegel putzen, doch als er elf Jahre alt wird, drückt ihm der Vater das Rasiermesser in die Hand: "Mach mal."

"Ich wollte auf keinen Fall gegen das eigene Volk kämpfen"

Was Schemdin damals lernt, hat sich eingebrannt: "Man muss den Kopf frei haben, braucht eine ruhige Hand und viel Gefühl, vor allem aber muss man vor den Kunden immer Respekt haben." So gerüstet, scheint seine Zukunft vorbestimmt: Irgendwann den Laden des Vaters übernehmen, ein Leben als Barbier in Kamisli.

Doch alles kommt ganz anders, denn in dem vom Krieg gebeutelten Syrien gibt es nur sehr selten ein rosiges Morgen. Im Alter von 17 Jahren flattert der Einberufungsbefehl für die syrische Armee ins Haus. "Ich war entsetzt, wollte auf keinen Fall gegen das eigene Volk kämpfen, auf meine Brüder und Cousins schießen." Schemdin weiß, wenn er das Gewehr in die Hand nimmt, verliert er seine Familie. Also entscheidet er sich mit Einverständnis des Vaters zur Flucht nach Deutschland: "Ich wählte die Freiheit."

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