Viechtach/Deggendorf
Raser-Prozess von Kalteck: Das wollen Ankläger und Verteidiger

22.11.2019 | Stand 18.09.2023, 4:09 Uhr

Die Angeklagten am Freitag vor Gericht. An diesem Tag soll das Urteil fallen. −Foto: Roland Binder

Am Freitagvormittag hat der siebte und letzte Verhandlungstag mit dem Plädoyer von Oberstaatsanwalt Oliver Baumgartner begonnen. Die Vorwürfe der Anklageschrift hätten sich durch die vorangegangene Beweisaufnahme vollumfänglich bestätigt.

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Die Hausrennstrecke des 54-jährigen Motorradfahrers - es geht um die kurvige Bergstrecke zwischen Leithen und Kalteck - eigne sich "bestens für ein Rennen", so der Oberstaatsanwalt. Mit einer "Gleichgültigkeit" hätten die beiden andere Verkehrsteilnehmer gefährdet. Die beiden Männer hätten die Verletzung anderer Autofahrer billigend in Kauf genommen. So auch das Leben von Heiko A. Und dessen Sohn Johannes. Der folgenschwere Unfall sei "an Tragik nicht zu überbieten".

Familienvater Heiko A. starb noch in seinem Wagen, Sohn Johannes kämpfte am Unfallort um sein Leben. Der heute 11-Jährige hat immer noch mit schwerwiegenden körperlichen und geistigen Einschränkungen zu kämpfen. Der 54-Jährige verlies indes die Unfallstelle und kehrte erst rund 30 Minuten später wieder zurück.

"Unfassbar fatale Folgen"

Die beiden Angeklagten bezeichnet Baumgartner als "Rennnarren"; das Fahrverhalten am 14. Juli vergangenen Jahres passe zu den Vorlieben der beiden. Was den Fall besonders dramatisch mache, seien die "unfassbar fatalen Folgen" des Frontalzusammenstoßes. Es sei unfassbar, was Beate A. und ihre Familie hätten durchmachen müssen.

Nach rund zwei Stunden Plädoyers forderte Oberstaatsanwalt Oliver Baumgartner sechs Jahre Freiheitsstrafe für den 28-jährigen Audi-Fahrer. Für den 54-jährigen Motorradfahrer forderte er sechs Jahre und sechs Monate, da er sich auch noch wegen Unfallflucht zu verantworten hat. "Das ist eine Botschaft an alle potenziellen Raser", sagte Oliver Baumgartner.

Das sagt der Nebenklageanwalt

Nebenklageanwalt Marko Heimann berührte während seines Plädoyers alle im Saal. "Irgendwann werden die Kinder von Heiko verstehen, wie endgültig der Tod des Vaters ist", führte er aus. Die Tränen, die der Bundespolizist vergossen habe, seien an falscher Stelle geflossen. Nicht aber während der ergreifenden Aussage von Beate A. und beim Betreten von Sohn Johannes. Die Reue, die der Audi-Fahrer im Prozess gezeigt hat, sei echt. Bei dem 54-jährigen Angeklagten sieht dies der Nebenklageanwalt hingegen anders. Der geleistete Täter-Opfer-Ausgleich sei spät gekommen, die Summe im Hinblick auf das Vermögen, zu gering. "Machen Sie jetzt, was Sie vor Fahrtantritt mach sollten: Denken Sie nach", bat er ihn.

Wenn der Angeklagte nach den Plädoyers das Gefühl haben sollte, zu wenig getan zu haben, solle er richtig handeln und kooperieren. Falls das nicht der Fall sein sollte, versprach Heimann: "Ich vertrete diese Familie weiter und verlassen Sie sich darauf: Ich komme und ich nehme Ihnen alles."

"Sehr sehr tragisches Geschehen"

Im Anschluss daran plädierte der Verteidiger des 28-Jährigen, Dr. Thomas Krimmel. Es sei unumstritten, dass es sich beim Unfall vom 14. Juli vergangenen Jahres um ein "sehr sehr tragisches Geschehen" handelt, für das der Angeklagte die Verantwortung übernimmt. Es gehe nicht darum, ob er bestraft wird, sondern wie hoch die Strafe ausfällt. Den Vorwurf eines Rennens verneinte er, die beiden Angeklagten hätten lediglich das Fahrverhalten der beiden Fahrzeuge ausprobieren wollen. Der 28-Jährige wisse um das Leid von Beate A. und ihrer Familie. Verteidiger Thomas Krimmel forderte für seinen Mandanten eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt auf Bewährung. "Geben Sie meinem Mandanten die Möglichkeit, in Freiheit der Familie weiterhin finanzielle Hilfe zukommen zu lassen", endete er sein Plädoyer.

"Nicht gewohnt, Gefühle zu zeigen"

Verteidiger Hubert Seidl versicherte Beate A., dass es dem 54-jährigen Motorradfahrers keineswegs leicht falle, das Geschehene zu verarbeiten. "Er ist es einfach nicht gewohnt, Gefühle zu zeigen", erklärte er weiter. Das liege laut Seidl daran, dass der Angeklagte auf einem Bauerhof aufgewachsen ist. Nach Beendigung des Prozesses wolle der Angeklagte 20.000 Euro an die geschädigte Familie überweisen. Er räumte ein, dass es sich bei den Fahrten am 14. Juli vergangenen Jahres um ein Rennen gehandelt habe, da der Grund für die Fahrt ein Leistungsvergleich war. Um eine Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten sei es dabei aber nicht gegangen. Bei dem Zusammenstoß mit dem Opel Ascona von Heiko A. stehe fest, dass der 54-Jährige "nicht unmittelbarer Verursacher des Unfalls" war. Außerdem habe der Motorradfahrer den Unfall selbst nicht gesehen, er habe sich über 100 Meter hinter dem Audi TT befunden. Als "Rennen" habe dieser zumindest die letzte Bergabfahrt nicht mehr empfunden, er habe den 28-Jährigen am oberen Kalteck-Parkplatz aufgefordert, sich bei der anstehenden Fahrt Zeit zu lassen. Eine Mittäterschaft komme folglich nicht in Frage.

Das Urteil soll im Lauf des Nachmittags fallen

Strafrechtlich sei er für den Frontalzusammenstoß mit Heiko A. nicht verantwortlich, moralisch hingegen schon. Anders sei das im Hinblick auf das unerlaubte Entfernen vom Unfallort. Schließlich habe dieser zugegeben, dass "mit ein Grund" für die Heimfahrt der fehlende DB-Absorber gewesen sei. Der Verteidiger räumte ein, dass der 54-Jährige an diesem illegalen Rennen teilgenommen hat und sich dann unerlaubt vom Unfallort entfernte. Das bereue er zu tiefst. Verteidiger Hubert Seidl fordert für seinen Mandanten eine Geldstrafe. Die Anzahl und Höhe der Tagessätze stelle er ins Ermessen des Gerichts. "Man muss entscheiden, ob mein Mandat als Täter zu sehen ist", führte er aus.

Vor dem Urteil entschuldigten sich die beiden Angeklagten erneut für das Geschehene. Es tue ihnen unendlich leid.

Das Urteil soll im Lauf des Nachmittags fallen. Wir halten Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.
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