March/Yogyakarta
Wenn tropische Traumstrände zum Alptraum werden

13.02.2019 | Stand 20.09.2023, 4:29 Uhr

Yogyakarta auf der Insel Java ist derzeit Wohn- und Arbeitsort der Marcherin Sarah Stoiber. Sie koordiniert dort im Büro von Caritas international Katastrophenhilfe-Aktionen in Indonesien. −Foto: Privat

Der Westen verbindet sie mit paradiesischen Landschaften, Sandstränden, sattgrünen Tropenwäldern, aus denen Vulkane ragen: Die Inseln Südostasiens. Sarah Stoiber aus March kennt diese Bilder von Java, Sumatra, Bali und den Philippinen. Aber sie hat den Blick derzeit woanders: Die 27-Jährige ist für "Caritas international" als Katastrophenhelferin im Einsatz.

Denn Naturkatastrophen sind ebenso prägend für diese Region der Erde: in regelmäßigen Abständen werden die Inseln von verheerenden Naturkatastrophen heimgesucht. Auf den Philippinen werden heute noch die Folgen eines Taifuns aufgearbeitet, bei dem vor fünf Jahren über 6000 Menschen starben. 2018 wurde die Insel Lombok in Indonesien von einem Erdbeben erschüttert, kurze Zeit später überflutete ein Tsunami die Ufer der indonesischen Insel Sulawesi.

Die Katastrophen kommen über Nacht, und so waren auch bei Sarah Stoiber schnelle Entscheidungen gefragt. Im September trat sie nach dem Studium eine Stelle bei "Caritas international" in Freiburg an, Ende September traf der Tsunami Sulawesi. Das örtliche Caritas-Büro erstickte in Arbeit, man brauchte dringend Verstärkung. "Man hat gesehen, das wird länger dauern", erinnert sich Sarah Stoiber, damals in Freiburg in der Katastrophenhilfe-Koordination tätig. Sie zögerte nicht lang mit der Entscheidung. Anfang November landete sie in Yogyakarta im Zentrum der Insel Java. Bis Anfang 2020 wird sie in Indonesien arbeiten.

Zurück ins Jahr 2011: Die Marcherin macht ihr Abitur am Gymnasium in Viechtach. Sie entscheidet sich für ein duales Studium in Mannheim, Bereich Logistik. Die heutige DB Cargo ist die Firma, bei der sie arbeitet, das Studium ist sehr nah an der Betriebswirtschaftslehre. Für ihren Master, den sie an der Universität Marburg macht, verschiebt Sarah Stoiber den Schwerpunkt. International Development Studies heißt der Studiengang, der Wirtschaft zusammenbringt mit Sozialem und Politikwissenschaften. "Das Soziale lag mir immer schon am Herzen", sagt Stoiber heute, "und das kam bei DB Cargo eher etwas zu kurz". Im Rahmen eines Auslandssemesters kam sie erstmals auf die Philippinen, war dort auch aktiv beim Häuser- und Latrinenbau. Sie legte den Schwerpunkt im Masterstudium auf die Katastrophenhilfe.

Was sie bei der Job-Suche an Caritas besonders schätzte: "Caritas zeichnet aus, dass sie im Ausland ein starkes Partner-Netz hat", sagt Sarah Stoiber. "Vor Ort wird überwiegend mit lokalen Partnern und Angestellten aus der Region gearbeitet." Auch in Südostasien betreibt Caritas international nicht nur Katastrophenhilfe, sondern hat auch längerfristige Projekte, hilft Behinderten, Älteren und sozial Schwachen. Auf den Philippinen hilft das Katastrophenhilfswerk der deutschen Caritas den Menschen an der Küste, mit den Folgen des Taifuns von 2013 fertig zu werden, ihre Häuser wieder aufzubauen.

Nach ihrer Ankunft in Yogyakarta geht es für Sarah Stoiber aber erst einmal um Soforthilfe in höchster Not. Sie hat gut zu tun, vom Büro aus die Aktivitäten zu organisieren, vor Ort kann und darf sie nicht helfen. "Zunächst gab es für Ausländer keine Zutrittsgenehmigung", erklärt sie. Aber ohnehin ist Koordination das zentrale Wort für Stoibers Tätigkeit, die Zusammenarbeit mit der nationalen Katastrophenschutzbehörde und den UN-Organisationen ist eng. Kurz vor Weihnachten ereignet sich ein weiterer Tsunami. Immer wieder gibt es kleinere Erdbeben. Was die junge Deutsche spüren kann: "Die Angst ist überall groß". Und zugleich spürt sie Dankbarkeit dafür, dass die auswärtigen Helfer die Not erkennen. "Das motiviert enorm, wenn man sieht, es kommt was an, man gibt den Leuten was zurück." Es gehe natürlich zunächst um materielle Dinge, ums Bauen von neuen Häusern, aber die Caritas kümmert sich beispielsweise auch um Traumabewältigung. "Viele Kinder und Erwachsene können nicht schlafen, die Leute trauen sich nicht mehr an den Strand," hat Sarah Stoiber beobachtet, "Kinder leiden unter permanenter Anspannung". Freilich hat die Hilfe in der Not auch einen wirtschaftlichen Aspekt. "Wir haben Dörfer, wo 500 neue Häuser nötig wären und das Geld reicht nur für 400." Die Dimensionen sind schließlich gewaltig, Indonesien hat 250 Millionen Einwohner.
Und auch das Land ist riesig, viele Regionen sind nicht von den Katastrophen der letzten Zeit berührt worden – auch diese Erfahrung hat Sarah Stoiber in ihren ersten Wochen schon gemacht. Es sei der Region nicht geholfen, wenn sie jetzt im Ausland ausschließlich als Katastrophengebiet wahrgenommen werde. Der Tourismus als starker Wirtschaftsfaktor ist schließlich wichtig für den Wiederaufbau. Die Insel Lombok beispielsweise trifft es doppelt: Nicht nur unzählige Häuser sind zerstört, sondern auch die Weganlagen hinauf auf den Vulkangipfel, eine wichtige Touristenattraktion. Derzeit geht es hier noch um das Notwendigste zum Überleben, weiß Sarah Stoiber, an Tourismus ist nicht zu denken. "Aber irgendwann später", sagt sie, "komm ich auch mal als Urlauberin hierher."

− jf