Deggendorf
Großeinsatz im Ankerzentrum: Was die Polizei nicht veröffentlicht hat

24.07.2019 | Stand 20.09.2023, 2:04 Uhr

−Foto: Mittermeier

Die Demonstration am Montag beim Ankerzentrum: Nach Auskunft von Pressesprecher Stefan Gaisbauer vom Polizeipräsidium Niederbayern war der Besuch einer Delegation der Regierung von Niederbayern Anlass für die Bewohner, auf Missstände in Unterbringung, Verpflegung und Abschiebepraxis hinzuweisen. Wie im Nachgang bekannt wurde, dürfte das nur ein Teil der Wahrheit gewesen sein. Am Sonntag hatte eine Bewohnerin im Ankerzentrum Suizid begangen.

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Nach dem Tod der Frau aus Aserbaidschan protestierten am Montag ab dem Vormittag rund 50 Asylbewerber vor dem Ankerzentrum. Wie die Protestierenden Medienberichten zufolge selbst erzählten, habe sich die Mutter am Sonntag aus Angst vor der Abschiebung mit Tabletten das Leben genommen. Dies treffe zu, das Kind der Frau sei wohlauf und in Obhut des Jugendamtes, bestätigte der stellvertretende Dienststellenleiter der PI Deggendorf, Werner Feilmeier, am Dienstag auf Nachfrage.

Die Demonstration dürfte sowohl den Suizid als auch die Unterbringungsbedingungen als Ursache gehabt haben, so Feilmeier. Weil es sich um einen "Ad-hoc-Einsatz" gehandelt habe, habe man von Seiten der Polizei aber keinen Anlass gesehen, die Medien zu informieren. Vorsorglich war mit Stefan Gaisbauer der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Niederbayern vor Ort.

Polizei rechtfertigt Vorgehen mit ethischen Gründen

Auf die Frage, warum die Polizei den Suizid vom Sonntag nicht erwähnt hat und die Proteste allein mit dem Besuch der Regierungsdelegation erklärt wurden, verwiesen die Verantwortlichen der Polizei in Deggendorf auf ethische Gründe rund um die Berichterstattung über Suizide. Die Rolle, die der Selbstmord für die Demonstration gespielt habe, sei fraglich. Man sehe auch künftig keine Veranlassung, bei derartigen Vorfällen die Medien zu informieren, wie von Seiten des stellvertretenden Dienststellenleiters verlautbart wurde.

Über die Rolle, die die Unterstützer-Initiativen bei der Demonstration spielten, konnte am Dienstag ebenfalls nichts in Erfahrung gebracht werden. Auf grafisch sehr gut umgesetzten Plakaten war in bestem Deutsch zu lesen: "Wir wollen leben, aber nicht sterben".

In der Regel berichten wir nicht über Selbsttötungen oder Suizidversuche – außer die Tat erfährt durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Kreisen Ihre Gedanken darum, sich oder anderen Menschen zu schaden? Sofortige Hilfe erhalten Sie rund um die Uhr bei der Telefonseelsorge unter der bundeseinheitlichen kostenlosen Rufnummer 0800 - 111 0 111 oder 0800 - 111 0 222 und im Internet unter www.telefonseelsorge.de.