Töging/München
AOK soll Laserbehandlung zahlen: Haarige Geschichte vor Gericht

29.05.2018 | Stand 22.09.2023, 1:06 Uhr

Starker Rückenhaarwuchs beeinträchtigt Michael B. (52) aus Töging seit seiner Pubertät. Jetzt klagt er vor dem Sozialgericht München gegen die AOK auf Kostenübernahme der Laserbehandlung. − Foto: Josef König

Mit einer haarigen Sache muss sich das Sozialgericht München herumschlagen: Michael B. (52) aus Töging (Landkreis Altötting) leidet seit der Pubertät an starker Rückenbehaarung und will die Epilation auf Krankenschein durchführen lassen. Nun streitet er um die Kosten für eine 5000 Euro teure Laserbehandlung.

Wenn übermäßig lange, dicke und dunkle Haare den Rücken überziehen, nennen Mediziner die Krankheit Hypertrichose. Die seit Jahren auf seinem Rücken sichtbaren, sehr dunklen Borstenhaare wachsen bei Michael B. aufgrund einer familiären Neigung, wie eine Hautärztin attestierte. Experten schätzen, dass die seltsame Verirrung der Natur mit einer Häufigkeit des Gendefekts auf eins zu einer Milliarde auftritt.

"Die Haare schränken meine Lebensqualität ein"

Für den Betriebsleiter eines holztechnischen Betriebs ist der Wunsch nach einer Haarentfernung deshalb weniger ein kosmetisches Problem. "Die Haare schränken meine Lebensqualität ein. Der ständige Juckreiz macht mich fertig", sagt er. Besonders in den Sommermonaten, wenn er beruflich stundenlang mit dem Auto unterwegs ist, jucken die Haare und es kommt zu kleineren Entzündungen. Zudem leide er wegen seiner Erkrankung an einem reduzierten Selbstwertgefühl und psychischer Beeinträchtigung, so seine Ärztin.

Dabei hat er schon alles versucht, die Haare dauerhaft loszuwerden. Die Variante der Haarentfernung mit Wachs etwa sei sehr schmerzhaft gewesen. Danach seien die Haare noch heftiger gewachsen. Die Hautärztin empfahl eine Laserbehandlung auf dem Rücken, um die Haare zu entfernen. Die Kostenübernahme der rund 5000 Euro teuren Behandlung reichte der freiwillig-versicherte Holztechniker bei der Direktion Mühldorf der AOK Bayern ein.

Die Krankenkasse gab den Antrag an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weiter. Dieser stellte am 4. August 2017 fest, dass im Sinne des Sozialgesetzbuches im Fall von Michael B. keine Krankheit vorliege. Daraufhin legte B. Widerspruch ein, er habe bereits auf eigene Kosten einige alternative Methoden zur Haarentfernung wie Rasieren, Waxen und Epilieren erprobt. Die Maßnahmen hätten keine Linderung gebracht, sondern zu noch stärkeren Symptomen geführt. Der Widerspruch wurde von der AOK am 4. Oktober 2017 als unbegründet abgelehnt: "Eine Kostenerstattung für die begehrte Laserbehandlung bei übermäßigem Haarwuchs am Rücken scheidet aus."

Rechtsstreit zieht sich weiter hin

Gegen den Widerspruchsbescheid klagte Michael B. über seinen Anwalt vor dem Sozialgericht München (AZ S2KR 1692/17). "Es mag zutreffen, dass die Behandlung üblicherweise keine kassenärztliche Vertragsleistung darstellt. Jedoch ist die Erkrankung beim Kläger besonders ausgeprägt und führt zu extremsten Beeinträchtigungen", schrieb Rechtsanwalt Harald Hafeneder von der Burghauser Inn-Salzach-Kanzlei in seiner Klagebegründung am 10. November.

Im Februar schlug das Sozialgericht München vor, dass sich die beiden Parteien in einem Güterichterverfahren auf eine gemeinsame Lösung einigen. Dagegen wandte die Geschäftsstelle Mühldorf der AOK-Bayern ein, dass bei Michael B. keine Erkrankung nach dem Sozialgesetzbuch vorliege. Falls das Gericht zu einer anderen Meinung komme, bitte die AOK um "Hinweise, worauf sich dies stützt". Andernfalls sei die Klage abzuweisen, gibt sich die Krankenkasse vehement und verweigert die Leistungspflicht.

Der Rechtsstreit zieht sich Ende Mai immer noch hin: Inzwischen ist Michael B. bereit, sich an den Kosten der Laserbehandlung zu beteiligen. Die Krankenkasse soll seiner Meinung nach aber die Kosten für die normalerweise bezahlte Elektroenthaarungsmethode übernehmen. Das Sozialgericht wird wohl eine Entscheidung treffen müssen.