Von Christiane Vogl
Während sich der Bayerische Landtag derzeit in der parlamentarischen Sommerpause befindet, bringen sich die Parteien mit ihren Kandidaten bereits in Stellung für die Wahl im Oktober. Die SPD im Stimmkreis Traunstein hat sich für ihren Wahlkampfauftakt im Traunreuter k1-Saal Unterstützung aus Berlin geholt: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sprach am Mittwochabend zu rund 100 Gästen, stellte die bisherigen Erfolge der SPD in den Vordergrund und ließ es sich auch nicht nehmen, scharfe Kritik an der CSU zu äußern. „Man sieht, dass man es sich ganz schön bequem in München gemacht hat“ – der Wahlkampf scheint eröffnet.
Damit der Berliner Genosse auch weiß, wohin ihn die Reise an diesem Abend verschlagen hat, stellte SPD-Ortsvorsitzender Christian Stoib die „Arbeiterstadt“ Traunreut kurz vor, ehe auch stellvertretender Landrat Sepp Konhäuser, Reka Molnar, die Chefin der Jusos Bayern, sowie die heimische Bundestagsabgeordnete Bärbel Kofler ihre kurzen Grußworte an die Gäste richteten. Bevor Kühnert als Hauptredner das Wort ergriff, stellte Landtagskandidat Sepp Parzinger vor, was er „für unsere Leut“ durchsetzen möchte. Es ginge darum, diejenigen zu unterstützen, „die auf eine starke Sozialdemokratie angewiesen sind, (. . .) die eben nicht in der Champagnerklasse unterwegs sind“.
Schluss mit Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen
Es seien vor allem drei Themengebiete, für die er sich „mit vollem Herzblut einsetzen möchte“: Arbeiten, Wohnen sowie Gesundheit und Pflege. Tarifverträge müssten gestärkt und Arbeitsplätze gesichert werden, auch um eine starke Wirtschaft zu fördern. Von der Erhöhung des Mindestlohns – von der SPD durchgesetzt – auf zwölf Euro die Stunde würden alleine im Landkreis Traunstein 10000 Menschen profitieren. Jedoch bleibe auch weiterhin das Problem mit dem bezahlbaren Wohnraum – auch in der Region. „Es ist längst kein Thema mehr, das nur Geringverdiener betrifft.“
Auch forderte Parzinger, einen Schlussstrich unter die Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen zu ziehen. „Es muss Schluss damit sein, dass CSU und Freie Wähler in Bayern jährlich rund 350 Millionen Euro zu wenig für die Investitionskosten der Kliniken zur Verfügung stellen“, betonte der 30-Jährige.
Und bei dieser Kritik an der bestehenden Regierung blieb es nicht. Auch Kevin Kühnert fand durchwegs klare Worte, um die Arbeit in München zu beschreiben. Beispielsweise beim Thema soziale Wohnungsförderung. Eine Vereinbarung sei hier gewesen, dass die Länder dieselbe Förderhöhe wie der Bund zusteuern, allerdings sei dies in München nicht geschehen. Die Tinte sei noch nicht getrocknet gewesen, da hätten Söder und Co. im Haushaltsentwurf der Staatsregierung bereits den Anteil an Geld, den der Bund mehr geben sollte, runtergerechnet. „Derjenige also, der sonst immer nach Berlin zeigt und sagt, da wird das ganze Geld versoffen, das in Bayern eingenommen und über den Länder-Finanzaugleich weitergegeben wird, derjenige nimmt gerne mit vollen Händen die Milliarden des Bundes in der sozialen Wohnbauförderung und verkauft sie zuhause als seine eigenen Wohltaten und gibt selber gar nicht in adäquater Weise etwas dazu. Das kann sich der Freistaat Bayern nicht mehr leisten“, feuerte Kühnert in Richtung Ministerpräsident.
Auch die Wohnungsbaugesellschaft BayernHeim habe ihre Ziele komplett verfehlt. Anstelle der 10000 versprochenen Wohnungen, habe man fünf Jahre später gerade einmal eine Zielerreichung von weniger als fünf Prozent. „Das ist Totalversagen auf ganzer Linie. Deshalb braucht man Söder und Co. auch kein einziges Wort glauben, wenn sie in diesem Wahlkampf über bezahlbaren Wohnraum sprechen“, so der Bundestagsabgeordnete unter reichlich Beifall. Die Landeshauptstadt habe unter SPD-Führung 1500 Sozialwohnungen im Jahr gebaut, der ganze Freistaat habe davon in fünf Jahren nur ein Fünfzehntel gebaut. Das sei „irre“, vor allem, da die Wohnungsknappheit mittlerweile nicht nur die Großstädte betreffen würde.
Dies sei Kühnert vor allem auch im Chiemgau aufgefallen, in dem auch der Tourismussektor ein wichtiger Bereich ist. „Wie sollen sich denn die Leute, die zu den niedrigen Löhnen in der Gastronomie arbeiten oder die Wäscherei im Hotel machen, den Traum von den eigenen vier Wänden hier erfüllen?“ Es müsse Wohnraum geschaffen werden, der nicht der Profitmaximierung, sondern dem Allgemeinwohl diene.
Zudem sei es ein Problem, dass der Freistaat sich weigere, künftig die Grundsteuer C einzuführen, mit der Städte und Gemeinden unbebaute baureife Grundstücke höher belasten können. Solche Flächen sollten bebaut werden und nicht zum Profit einiger weniger und auf den Kosten der großen Mehrheit aus spakulativen Gründen freigehalten werden, forderte Kühnert. „Über wen soll die schützende Hand gehalten werden? Geht es wieder um die im Land, die sich die Taschen vollgemacht haben, geht es um die Scheuers dieser Welt, die uns alle eine viertel Millionen Euro bei der Autobahnmaut gekostet haben? Es wurde genug Politik gemacht für einige wenige“, sagte der Generalsekretär unter großem Beifall.
„Ein großer Skandal“ sei auch, dass der Freistaat kein Tariftreuegesetz habe, so dass am Ende Lohndumping aktiv finanziert werde. In Bayern sei man unter 50 Prozent bei der Tarifbindung. Für Arbeitnehmer bedeute dies, im Schnitt eine Wochenarbeitszeit von einer Stunde mehr bei elf Prozent weniger Lohn. „Das ist das, was die Staatsregierung seit Jahren bewusst politisch zulässt. Man kann am 8. Oktober darüber entscheiden, ob man das weiter haben möchte oder nicht.“
Kühnert: „Unsere Demokratie steht unter Druck“
Was für Kühnert ebenfalls nicht so weitergehen kann, sei die Energiepolitik, die in München betrieben wird. Nicht die Entscheidung, auf Photovoltaik zu setzen, sei falsch. Jedoch würden die Berechnungen komplett an der Realität vorbeigehen. Man berechne die Leistung nämlich so, als würde die Sonne 24 Stunden scheinen. „Ein Windrad kann das, eine PV-Anlage nicht.“ Sinnvoller sei für Kühnert ein Mix aus Erneuerbaren Energien.
„Bitte wählt Politiker, die nicht den ganzen Tag den Leuten erzählen, warum es für viele schöne Lösungen leider ganz viele Probleme gibt, sondern wählt Leute, die für Probleme Lösungen finden“, appellierte Kühnert letztlich an den Saal, auch mit Blick auf Landtagskandidaten Sepp Parzinger. Schließlich sei es wichtig, sich bis zu der Wahl im Oktober und darüber hinaus für die Demokratie einzusetzen. „Unsere Demokratie steht unter Druck“, betonte er, auch wegen der hohen Umfragewerte der AfD. „Wir sind aber die Mehrheit in der Gesellschaft, nur müssen wir diese Rolle auch annehmen. Politik vor Ort ist genauso gut, wie wir sie machen.“ Jeder und jede sollte auch nach der Landtagswahl seinen Teil dazu beitragen, dass man ein Gemeinwesen bewahrt, in dem Kompromisse miteinander geschlossen werden könnten.
In einer anschließenden Diskussionrunde mit Kühnert und Parzinger hatten dann auch die Bezirkstagskandidatinnen Daniela Baumann für den Landkreis Traunstein und Johanna Schachtl für den Kreis Altötting die Möglichkeit, sich vorzustellen und über ihre Themenschwerpunkte zu sprechen. Eine Fragenrunde schloss die Veranstaltung letztlich ab.