Trostberg
Utz-Hellmuth Felcht ist gestorben

Von 1998 bis 2001 Vorstandsvorsitzender der SKW Trostberg – Profilierte Persönlichkeit in Deutschlands Industrie und Forschung

30.05.2023 | Stand 16.09.2023, 21:15 Uhr

Utz-Hellmuth Felcht starb bereits am 18. Mai im Alter von 76 Jahren. Sein Tod wurde jedoch erst am Pfingstwochenende durch mehrere Traueranzeigen einer größeren Öffentlichkeit bekannt. −Foto: dpa

Prof. Dr. Utz-Hellmuth Felcht ist tot. Von 1998 bis 2001 war er Vorstandsvorsitzender der damaligen SKW Trostberg AG (Landkreis Traunstein), und in der Folge der damals breiten Umstrukturierung in der deutschen Chemieindustrie war er von 2001 bis Mai 2006 Vorsitzender des Vorstands der Degussa AG und Mitglied des Vorstands der RAG Aktiengesellschaft. 2007 wurde er Partner in der Frankfurter Filiale des Finanzinvestors One Equity Partners.



Anekdoten am Rande: In seiner Verantwortungszeit für die Standorte der SKW im Bayerischen Chemiedreieck spendierte er der Belegschaft in Hart an der Alz mal ein Mittagessen, weil es gelungen war, Alkoholkonsum aus dem Werksgelände und vor allem auch aus der Kantine zu verbannen. Und bei Pressekonferenzen entschuldigte er sich gern wegen seines hohen Zigarettenkonsums. Einmal berichtete er, dass er es schon mal in einem Hotel geschafft hatte, die Sprinkleranlage auszulösen. Eine private Leidenschaft war das Sammeln von Modelllokomotiven. Als Geschenk hatten ihm Mitarbeiter in Trostberg mal eine Zugkombination in Werksbahnlackierung eigens anfertigen lassen. In Trostberg war Utz-Hellmuth Felcht Nachfolger von Prof. Dr. Wilhelm Simson, der 1998 Vorstandsvorsitzender der VIAG AG, der damaligen Muttergesellschaft von SKW Trostberg, wurde.

Chefaufseher der Deutschen Bahn



Utz-Hellmuth Felcht starb bereits am 18. Mai im Alter von 76 Jahren. Sein Tod wurde jedoch erst am Pfingstwochenende durch mehrere Traueranzeigen einer größeren Öffentlichkeit bekannt. In seinem Arbeitsleben nach Trostberg war er unter anderem Chefaufseher der Deutschen Bahn.
Der Spiegel berichtet: „Einem breiten Publikum wurde Felcht ab 2010 bekannt. Der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte ihn als Nachfolger von Werner Müller an der Spitze des Deutsche Bahn-Aufsichtsrates vorgeschlagen. Am Ende, im Jahr 2018, musste Felcht sein Amt jedoch nach Personal-Querelen zurücklegen.“
Im Jahr 1966 hatte Felcht sein Abitur am mathematisch-naturwissenschaftlichen Friedrich-Bährens-Gymnasium in Schwerte an der Ruhr erworben und absolvierte bis 1968 seinen Wehrdienst als Reserveoffizieranwärter. Er begann 1968 sein Chemiestudium an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und schloss es 1973 an der Universität Saarbrücken mit dem Diplom ab. 1976 promovierte er an der Universität Kaiserslautern.
Nach seiner Anstellung bei der Hoechst AG 1977 war er zunächst Forschungschemiker und übernahm bis 1984 die Leitung einer Forschungsabteilung im Werk Kalle. Im Anschluss erhielt er Leitungsfunktionen in der ZDA der Hoechst AG. ZDA steht für Zentrale Direktionsabteilung. Aus Zentralabteilungen wurden bei Hoechst künftige Vorstandsmitglieder rekrutiert. Von 1988 bis 1991 war Felcht Executive Vice President der Hoechst Celanese Corp. in USA.

Mitglied des Vorstands der Hoechst AG



Ab April 1991 bis September 1998 war er Mitglied des Vorstands der Hoechst AG, dort verantwortlich für die Geschäftsbereiche technische Kunststoffe sowie Carbonerzeugnisse und das Ressort Forschung. „Als entschiedener Gegner der Ausgliederungspolitik des damaligen Vorstandsvorsitzenden Jürgen Dormann verließ er die Hoechst AG noch 1998“, erinnert Wikipedia an seinen Abschied aus Frankfurt.
Zur Erinnerung: Bis in die 90er Jahre war die Hoechst AG nicht nur mit dem Standort Gendorf unmittelbar im Bayerischen Chemiedreieck, sondern auch mittelbar mit einer wesentlichen Kapitalbeteiligung an der damaligen Wacker Chemie GmbH vertreten. Die Hoechst AG – bis 1974 Farbwerke Hoechst AG, vormals Meister, Lucius & Brüning – war eines der drei größten Chemie- und Pharmaunternehmen Deutschlands. 1994 begann die Neuausrichtung und Umstrukturierung der Hoechst AG. Nach der Überführung in eine Holding schloss sich die Hoechst AG 1999 mit Rhone-Poulenc zur Aventis S. A. mit Sitz in Straßburg zusammen und spaltete die verbliebenen Chemieaktivitäten in der Celanese AG ab.
Nach der Fusion von Aventis mit Sanofi-Synthélabo zu Sanofi-Aventis 2004 verschwand der Firmenname Hoechst weitgehend aus der Öffentlichkeit. Seit rund 20 Jahren ist auch die Beteiligung an der Wacker Chemie, die seit den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts bestanden hatte, Geschichte.

TU München und der Jilin-Universität in China



Felcht war außerdem Mitglied in Aufsichts- und Verwaltungsräten verschiedener Industrie-Unternehmen. Von 2008 bis 2012 war er Aufsichtsratsvorsitzender der Süd-Chemie mit Werken in Heufeld bei Rosenheim und in Moosburg bei Freising. Außerdem war er unter anderem Honorarprofessor der TU München und der Jilin-Universität in China, Vorsitzender der Dechema-Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, Mitglied des Vereins Atlantik-Brücke und Kuratoriumsmitglied des AFS Interkulturelle Begegnungen.
Die Atlantik-Brücke wurde 1952 als Verein mit dem Ziel gegründet, eine wirtschafts-, finanz-, bildungs- und militärpolitische Brücke zwischen den USA und Deutschland zu schlagen. AFS (ursprünglich American Field Service) ist eines der weltweit größten Netzwerke von gemeinnützigen Austauschorganisationen für junge Menschen, die als Austauschschüler oder Freiwillige in sozialen oder ökologischen Projekten längere Zeit (14 Tage bis zwölf Monate) im Ausland verbringen.
Zu den Mitglieder der Atlantik-Brücke zählen heute etwa 500 führende Persönlichkeiten aus dem Bank- und Finanzwesen, der Wirtschaft, der Politik, den Medien und der Wissenschaft. Die Atlantik-Brücke fungiert als Netzwerk und privates Politikberatungsinstitut. Außerdem war Felcht Mitglied des Präsidiums und Mitglied des Kuratoriums der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech).