Sieben Tote bei Ampfing
Tödlicher Schleuserunfall auf A94: Es war nicht die erste lebensgefährliche Fahrt des Fahrers

18.07.2024 | Stand 19.07.2024, 1:13 Uhr |

Auf dem Dach liegend kam der Mercedes Vito zum Stillstand, die Insassen waren beim Überschlag zum Teil aus dem Auto geschleudert worden − Foto: Sven Hoppe/dpa

Nach dem tödlichen Schleuserunfall auf der A94 im Oktober 2023 in Ampfing (Landkreis Mühldorf) hat die Staatsanwaltschaft Traunstein nun Anklage wegen Mordes gegen den Fahrer (25) erhoben. Laut Anklage war es nicht die erste lebensbedrohliche Schleuserfahrt des Mannes.



Dem 25-Jährigen werden mindestens drei weitere Fahrten vorgeworfen, bei denen er Migranten teils ungesichert im Fahrzeug von Traiskirchen nach München gebracht haben soll. Staatsanwalt Markus Andrä, der die Ermittlungen geleitet hat, erklärte entsetzt: „Die Täter werden immer menschenverachtender und rücksichtsloser.“

Bei dem tödlichen Schleuserunfall am 13. Oktober 2023 auf der Bundesautobahn A94 in Ampfing soll der 25-jährige Fahrer mit dem mit 22 Migranten völlig überladenen Mercedes Vito mit 150 km/h in die Ausfahrt gerast sein. Dort durchbrach er in einer Rechtskurve die Leitplanke und das Auto überschlug sich. Sieben Flüchtlinge, darunter ein sechsjähriges Mädchen, starben noch an der Unfallstelle. Ein Insasse wurde so schwer verletzt, dass er sich immer noch in Lebensgefahr befindet. 14 Flüchtlinge erlitten schwere oder mittelschwere Verletzungen. Unter den Insassen im Mercedes waren noch zwei Kinder unter 14 Jahren.

Weitere lebensgefährliche Schleuserfahrten

Die Auswertung der Telefondaten und umfangreiche weitere komplexe Ermittlungen haben laut Traunsteiner Staatsanwaltschaft ergeben, dass der 25-jährige Fahrer verdächtig ist, zwischen 1. und 27. September 2023 drei weitere Schleusungsfahrten mit insgesamt 46 Flüchtlingen aus Syrien, Türkei und anderen Staaten durchgeführt zu haben. Mit unterschiedlichen Fahrzeugen soll er sie jeweils von Traiskirchen in Österreich über den Grenzübergang Kirchdorf am Inn bis nach Feldkirchen bei München gebracht haben.

„Bei allen drei Fahrten bestanden für die geschleusten Personen keine ausreichenden Sitzmöglichkeiten, sodass sich diese nicht anschnallen konnten. Obwohl der Angeschuldigte dies wusste, nutzte er bei seinen Fahrten auf österreichischen Autobahnen die dort erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zumindest phasenweise aus“, so die Staatsanwaltschaft. Im Falle einer Vollbremsung oder eines Unfalls hätten die Insassen laut den Ermittlern wegen der fehlenden Sicherung lebensgefährliche Verletzungen erlitten. Für die Durchführung der drei Schleusungsfahrten soll der 25-Jährige insgesamt mindestens 14.200 Euro bekommen haben.

Mit 180 km/h vor Polizei geflohen

Weitere 6600 Euro waren ihm für die letztlich tödlich verlaufene Schleuserfahrt am 13. Oktober 2023 angeboten worden sein. Dabei saßen dann sogar 22 Flüchtlinge zum Teil ungesichert im Mercedes Vito. Als der Fahrer feststellte, dass zwei Beamte der Bundespolizei in einem zivilen Dienstfahrzeug auf ihn aufmerksam geworden waren, telefonierte er mit drei „Scoutfahrern“, die ihn schon über die Grenze begleitet hatten. „Aufgrund dieses Telefonats ignorierte er die polizeilichen Anhaltesignale und beschleunigte den Kleinbus bei seiner Fahrt auf der Bundesautobahn A94 auf sehr hohe Geschwindigkeiten bis zu 180 km/h, um sich mit äußerst riskanter Fahrweise der Polizeikontrolle zu entziehen“, so die Staatsanwaltschaft.

Polizisten hielten Abstand von 100 bis 200 Metern

Die beiden Polizeibeamten seien dem Kleinbus im Landkreis Mühldorf auf der A94 in Richtung München mit 100 bis 200 Metern Abstand, eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn gefolgt. An der Autobahnausfahrt Waldkraiburg/Ampfing fuhr der 25-Jährige dann laut Anklage mit circa 150 km/h in die dortige Rechtskurve und es kam zu dem verheerenden Unfall mit sieben Toten.

Bei der strafrechtlichen Bewertung des Verhaltens des Angeschuldigten geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er sich des Mordes und des Einschleusens von Ausländern mit Todesfolge, jeweils in sieben Fällen, des versuchten Mordes, des versuchten Einschleusens von Ausländern mit Todesfolge und der gefährlichen Körperverletzung, jeweils in 15 Fällen, davon in einem Fall auch der schwereren Körperverletzung, und des verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge schuldig gemacht hat. Hinsichtlich der drei weiteren Schleusungsfahrten wird dem Angeschuldigten jeweils gewerbsmäßiges und gefährliches Einschleusen von Ausländern zur Last gelegt.

Schleuser „immer menschenverachtender und rücksichtsloser“

Staatsanwalt als Gruppenleiter Markus Andrä, der die Ermittlungen gegen den Angeschuldigten geleitet und koordiniert hat, betonte am Donnerstag: „Die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft Traunstein mit der gemeinsamen Ermittlungsgruppe ,EG-Van‘, bestehend aus Beamten von Landes- und Bundespolizei, hat sehr gut funktioniert und die effektive Aufklärung und Verfolgung dieses schrecklichen Unfalls mit vielen Toten und der drei weiteren Schleusungsfahrten, für die der Angeschuldigte verantwortlich sein soll, ermöglicht. Leider haben die Fälle, in denen 15 bis 25 Personen ungesichert in Kleintransportern eingeschleust werden, stark zugenommen. Die Täter werden immer menschenverachtender und rücksichtsloser. Es häufen sich Fluchten vor Polizeikontrollen mit hochgefährlichen Fahrweisen oder mit Rammen von Polizeiautos oder Zufahren auf Polizeibeamte. Wir gehen gegen die Schleuser und ihre Hintermänner weiterhin sehr konsequent vor. Wir wollen so Menschenleben schützen und Straftätern das Handwerk legen.“

Über die Eröffnung des Hauptverfahrens und den Beginn einer Hauptverhandlung entscheidet das Schwurgericht am Landgericht Traunstein.

− hr

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