Im Gespräch mit heimatsport.de
Saisonfazit, Rücktrittsgedanken und seine Emotionen: Gefühlsflieger Eisenbichler im Interview

04.05.2023 | Stand 16.09.2023, 22:42 Uhr

Vielleicht sogar noch bis Olympia 2026 im Geschäft: Skispringer Markus Eisenbichler. −Foto: Lakota

Er sagt, was er denkt, lässt Emotionen zu und redet auch im TV im bayerischen Dialekt: Markus Eisenbichler (32) aus Siegsdorf (Landkreis Traunstein) ist wegen seiner authentischen Art der wohl beliebteste deutsche Skispringer. Und einer der Besten. Im Interview mit der Heimatzeitung spricht der Gefühlsflieger über die vergangene Saison, Erwartungsdruck und Rücktrittsgedanken. Und er erklärt, warum ihm die Ausbildung bei der Polizei so sehr hilft.

Herr Eisenbichler, haben Sie die lange Saison schon ein bisschen aus den Beinen geschüttelt?
Markus Eisenbichler: Ja, ich habe mich schon gut erholt. Direkt nach dem letzten Weltcup-Wochenende in Planica ging’s für mich weiter zur Bundespolizei, dort mache ich die Ausbildung zum Kommissar. Ich möchte nach der Karriere bei der Polizei bleiben und Trainer und Ausbilder werden. Daher bin ich jetzt von Montag bis Freitag in der Sportschule Bad Endorf, gehe von sieben bis 15.30 Uhr in die Schule, ein geregelter Tagesablauf, das gefällt mir ganz gut. Danach ist dann Training angesagt.

Brauchen Sie denn gar keinen Urlaub?
Eisenbichler: Urlaub sollen die anderen machen, ich brauche keinen (lacht). Nein, aktuell muss ich gerade fleißig lernen. Im August werde ich dann vielleicht mal ein, zwei Wochen daheim auf einer Alm verbringen, das reicht mir völlig.

Mit ein bisschen Abstand: Wie beurteilen Sie die Saison?
Eisenbichler: Da bin ich ganz ehrlich: Es war nicht gut, vor allem die erste Hälfte. Speziell die Tournee war eine Vollkatastrophe. Hinten raus ist es dann besser geworden, zur WM war die Leistung okay.

„Hatte den Muskelkater meines Lebens“

Haben Sie auch schon analysiert, warum es nicht ganz nach Wunsch gelaufen ist?
Eisenbichler: Es kommt immer mehr zusammen und hinterher ist man schlauer. Ich bin nicht mehr der Jüngste, war im Sommer viel verletzt. Mal hat das Knie gezwickt, dann der Rücken oder das Sprunggelenk. Durch die Saison habe ich mich ein Stück weit durchgebissen. Daher bin ich auch nicht ganz unzufrieden. Ich bin immer noch Top-15 im Gesamtweltcup. Das ist sicher nicht mein Anspruch, aber man muss sich dann kurzfristig auch mal damit zufrieden geben.

Was sagen die Trainer? Gibt es schon einen Plan für die neue Saison?
Eisenbichler: Ich werde demnächst mit dem Trainerteam in die Saisonanalyse gehen und alles aufarbeiten. Wobei ich immer gar nicht so gerne aufarbeite, sondern lieber gleich nach vorne schaue. Ich muss mich jetzt im Sommer einfach besser vorbereiten, verletzungsfrei bleiben. Dann greife ich wieder an. Es wäre alles da, man braucht aber auch eine gewisse Sicherheit, ein bisschen Ruhe, speziell über den Sommer, damit man gut trainieren kann.

Chefcoach Stefan Horngacher hat angekündigt, auch in Sachen Trainingsarbeit etwas verändern zu wollen. Man habe drei Jahre das gleiche gemacht, nun soll es neue Impulse geben.
Eisenbichler: Ja, das habe ich schon mitbekommen – ich hatte zuletzt den Muskelkater meines Lebens (lacht). Ich habe kaum noch gehen können. Das Training ist anders, intensiver – und ich bin einer, der dann immer Vollgas gibt. Mir macht es ein Stück weit Spaß, mich zu quälen.

Klingt, als seien Sie sehr motiviert. Nach der Saison 2021/22 war das ja anders, Sie haben davon gesprochen, dass die Leidenschaft fürs Skispringen nicht mehr so da war und Sie ans Aufhören dachten. Sie haben sich dann Hilfe geholt und viel im mentalen Bereich gearbeitet. Wie sieht es heute in Markus Eisenbichler aus? Lodert das Feuer wieder?
Eisenbichler: Aktuell geht’s mir sehr gut, das Feuer ist da. Das Umfeld muss passen − und das tut es aktuell. Speziell die Ausbildung bei der Polizei hilft mir. Weil ich merke, es gibt nicht nur Skispringen. Für mich ist es wichtig, dass ich nach meiner sportlichen Karriere nicht in der Luft hänge. Da ist die Perspektive bei der Bundespolizei Gold wert. Ich werde hier aufgefangen, habe ein extrem gutes Umfeld in der Arbeit. Und ich weiß: Wenn ich jetzt aufhören müsste mit dem Skispringen, wäre es keine Katastrophe.

Aber Sie wollen schon noch ein bisschen weitermachen? Oder anders gefragt: Wie lange fliegen Sie denn noch durch die Lüfte?
Eisenbichler: Ich weiß es wirklich noch nicht. Ich wollte ja schon häufiger aufhören. Aber irgendwie lässt mich das Skispringen nicht los. Ich schaue jetzt von Saison zu Saison. Es gibt aber gewisse Faktoren, die ich nicht beeinflussen kann. Das Alter, die Gesundheit. Und natürlich kommt irgendwann Familie hinzu. Wenn mal ein Kind da ist, dann bin ich raus. Aber ich will es nicht ausschließen, dass ich vielleicht sogar noch bis Olympia 2026 weitermache.

„Ich benötige etwas mehr Ruhe, mehr Rückzug“



Sven Hannawald meinte, Sie wären der Energie-Adler im Team. Sie selbst sehen sich mittlerweile aber nicht mehr ständig in vorderster Front.
Eisenbichler: Ich benötige etwas mehr Ruhe, etwas mehr Rückzug. Wenn mich das Team braucht, bin ich aber natürlich da, vor allem bei Big Events oder der Tournee schaue ich auch weiterhin, dass wir alle zusammen irgendwo vorne anklopfen. Aber ich sage jetzt auch mal: Lasst mich da grad mal raus, ich muss auf mich schauen. Ich glaube, das akzeptiere alle. Wir haben junge Sportler dabei, die können gerne den Job als Energie-Adler übernehmen − ich packe das nicht mehr über die ganze Saison.

Liegt das auch am Druck? Speziell auf Ihnen und Karl Geiger lasteten zuletzt nahezu alle Erwartungen, Sie standen meist im Fokus der Berichterstattung.
Eisenbichler: Naja, die Medienkultur in Deutschland hat sich schon in eine gewisse Richtung entwickelt. Man sieht das ja oft bei den Fußballern. Wenn es schlecht läuft, versucht man vielleicht, irgendwo noch eine Sensation herauszukitzeln. Wir waren in dieser Saison ein gefundenes Fressen für die Medien. Mir persönlich ist das aber relativ wurscht. Wenn jemand eine dumme Frage stellt, bekommt er eine dumme Antwort. Wir sind auch nur Menschen und es läuft nicht immer alles perfekt. Wir versuchen, uns das ganze Jahr den Allerwertesten aufzureißen, versuchen, dass wir performen und die Zuschauer begeistern. Das hat vielleicht dieses Mal nicht ganz so gut geklappt, aber es waren ja auch ein paar Lichtblicke dabei.

Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Eisenbichler: Mir ist das mittlerweile relativ egal. Mir ist nur wichtig, dass meine Familie und meine Freunde zu Hause zufrieden sind mit mir und ich mich persönlich bzw. charakterlich nicht groß verändere. Ihnen ist es auch wichtiger, dass ich so bodenständig bleibe, wie ich bin. Wenn es sportlich nicht läuft, leiden die Leute in meinem Umfeld wahrscheinlich mehr als ich. Insgesamt habe ich in meiner Karriere schon genug erreicht. Aber das heißt nicht, dass ich nicht weiter ehrgeizig bin. Im Gegenteil, ich will natürlich gewinnen. Wenn ich mich nicht über schwache Leistungen ärgern würden, wäre ich ja fehl am Platz.

Wir dürfen uns also auch weiter über den ein oder anderen emotionalen Ausbruch von Ihnen freuen.
Eisenbichler: Naja, diesen Winter war ich ja schon ein bisschen anders, ein bisschen ruhiger. Aber wenn ich Emotionen habe, egal ob positiv oder negativ, dann lasse ich sie auch raus. Ich versuche jedoch, das Ganze etwas besser zu kanalisieren, nicht mehr ganz so viel zu fluchen (lacht).

Dabei werden Sie doch oft für ihre ehrliche und authentische Art gefeiert.
Eisenbichler: Die Leute mögen es vielleicht. Aber für die Trainer ist das nicht immer ganz so einfach. Die bekommen dann ja wieder Fragen gestellt, was mit dem Eisenbichler los sei. Daher verstehe ich, wenn ein Trainer sagt, dass manchmal eine etwas andere Wortwahl angebracht ist. Aber komplett verändern will und kann ich mich nicht.


Interview: Andreas Lakota. Das gesamte Gespräch lesen als hier als PNP-Plus Abonnent