Traunreut
Klangfarbenreich und bunt wie Polarlichter

Stefanie Boltz, Martin Kursawe und Sven Faller feiern im k1 musikalische „Midwinter Tales“

13.12.2022 | Stand 17.09.2023, 8:37 Uhr

Emotionale Gefühlsschaukel mit Jazz der Extraklasse: Jazzsängerin Stefanie Boltz, Gitarrist Martin Kursawe und Kontrabassist Sven Faller boten „Midwinter Tales“ im k1-Studio. −Foto: Benekam

Vom Wintervollmond am klaren Sternenhimmel inspiriert, lässt sich bestens musikalischer Klangzauber entzünden: „Midwinter Tales“, das sind, laut Programm „Zwischentöne und Dynamik, in dem Groove und Intimität, Virtuoses und Witziges seinen Platz findet.“. Darüber hinaus boten die Münchner Jazzsängerin Stefanie Boltz, der Gitarrist Martin Kursawe und der Kontrabassist Sven Faller mit ihrem extravagantem Jazz wahre winter-mondliche Zauberstimmungen. Dem k1-Publikum war, passend zur bevorstehenden dunklen Wintersonnenwendzeit, ein bluesgetränktes Hörvergnügen der Superlative geboten.

Zugegeben, der Vollmond, der zum bevorstehenden dritten Adventswochenende (zufällig?) am Himmel über Traunreut prangte, gehörte nicht direkt zum Programm des Jazztrios. Wäre wohl auch vermessen, den Mond als Stimmungsmacher zu buchen – ein Unding. Sich aber aus wintersonnwendlichen Naturschauspielen, und da gehören sicher auch andere „natürliche“ Protagonisten dazu, musikalische Inspiration zu ziehen, das geht hingegen schon, wie aus Jazzsängerin Stefanie Boltz‘ Moderation zu erfahren war. Und tatsächlich, im Verlauf des Abends spürte man in einer Fülle von Genres übergreifenden Eigenkompositionen und Interpretationen in englischer und deutscher Sprache, jene winterliche Strahlkraft: Schwebende Schneeflocken, klirrende Kälte und weiß bereifte Naturkulissen kann man hören, sodass es beim virtuos dargebotenen und mit reichlich Emotion angereicherten Musikgenuss eine satte Flut an Assoziationen aufkam. So gaben sich die hingerissenen Zuhörer den „Mittwinterlichen Erzählungen“ voll hin, ließen sich sinnbildlich von Stefanie Boltz‘ Stimmfarben-Schmelz „einseifen“, bis auch das letzte Eiskristall im Herzen dahintaute. Die intime Art, mit der das Trio, fast musikalischen Inszenierungen gleich, die Nummern darbot, setzte Kopfkino in Gang: Die Interpretation von „So many Stars“ (Sergio Mendes) beginnt mit Boltz‘ rhythmisch ins Mikro gehauchten Atemzügen, zu denen ein Saiten-Kratzen von Kontrabass und Gitarre hinzukommt, dann machen perkussiv-dynamische Einsätze am Kontrabass-Korpus die rauhnächtliche Lautmalerei komplett.

Simon & Garfunkels „The Sound Of Silence“ erfährt eine höchst eigenwillige, aber doch kolossal aufregende interpretatorische Jazz-Runderneuerung mit Loop-Station Effekten – grandios. Tom Waits Country-Blues „Christmas Card From A Hooker In Minneapolis“ wird zur emotionalen Gefühlsschaukel – mal geht’s rauf, mal geht’s runter, aber immer mit voller Wucht unter die Haut. Als gesungene Kurzgeschichten könnte man Boltz-Eigenkompositionen bezeichnen: „Narkose“ erzählt im rockigen Gewandt von einer Art Flucht aus dem Alltagsstress in den (narkosegleichen) Winterschlaf und in den Balladen „Sehnsucht“ und „Im Schnee Verbrennen“ paart sich Leidenschaft, die Leiden schafft, mit vollendeter Musikalität – Klangfarbenreich wie die Polarlichter bunt sind und obendrein gefallen die aufregend schönen, poetischen Songtexte. Ausdifferenziert und ideenreich, immer wieder in solistischen Einsätzen agierend, punkten die beiden Instrumentalisten Sven Faller und Martin Kursawe und setzen in der Interaktion mit Boltz‘ Stimmpotenzial in großer Geste instrumentale Glanzmomente. Ein antidepressiver Jazz-Abend, der die dunklen Tage mit angenehmem Licht erfüllte und für den sich das Publikum mit herzlichem Applaus bedankte.

Kirsten Benekam