Gemeinsam mit Kindern hängte Karl Schönberger, Mitglied im Bund Naturschutz (BN) und im Landesbund für Vogelschutz (LBV), im Frühjahr am Alzkanal in Trostberg (Landkreis Traunstein) Nistkästen für Vögel auf. Damals schilderte er die Aktion aus der Sicht der Alzkanal-Meise „Wieselflink“, die Kinder bei deren Einsatz beobachtete – quasi aus der Vogelperspektive.
Kürzlich machte sich Schönberger erneut mit Kindern – Franzi Gastager und Caecilia Augenstein – auf den Weg zum Alzkanal, um die Nistkästen zu reinigen. Dabei blickte ihnen eine Artgenossin von „Wieselflink“ über die Schultern: „Fräulein Meislinde“. Schönberger ließ auch sie zu Wort kommen und einen Bericht über die Nistkastenpflege für die Heimatzeitung verfassen.
Quartiere für Spatzen und Blau- und Kohlmeisen
Es ist ein etwas trüber Nachmittag, als sich Caecilia und Franzi am Wehrbau zur gemeinsamen jährlichen Nistkastenreinigung treffen und auf den Weg entlang des Alzkanals aufmachen. Sie kennen ja inzwischen die Plätze, wo die Nistkästen und deren Bewohner auf den wiederkehrenden Besuch warten, vorzugsweise Blau- und Kohlmeisen, aber auch Spatzen, die regelmäßig Quartiere beziehen und ihre Kinder aufziehen. „Was werden wir in den beiden neuen Nistkästen vorfinden, die wir im Frühjahr zusätzlich aufgehängt haben?“, fragen sich Caecilia und Franzi. Die beiden Vogelfreundinnen starten schwungvoll, aber nicht unbemerkt den Rundgang, denn diesmal flattert „Fräulein Meislinde“, eine lebhafte junge Blaumeise, einmal links, dann wieder rechts vorbei, um genau zu sehen und zu berichten, was nun abläuft.
Der Meisenkasten Nummer 9 mit Vorbau ist zu Bruch gegangen. Ein noch jugendlicher Eschenbaum ist so schwer erkrankt, dass sogar seine vielen Wurzeln abgestorben sind und keinen Halt mehr an der Böschung finden. Bei einem kurzen, kräftigen Windstoß ist er leider umgefallen und hat das Meiseneigenheim unter dem Stamm begraben. Es ist vollständig zerbrochen. Zum Glück hatte die Meisenfamilie im Frühjahr ihre Kinder schon sehr früh aufgezogen, und diese konnten das Nest rechtzeitig verlassen. Aber jetzt fehlt bei einem kalten, stürmischen Wintertag ein Unterschlupf. Caecilia und Franzi schütteln zunächst mit ihren Köpfen, sie beratschlagen und beschließen, sich um ein neues Meisenwohnhaus auf einem Baum oder in einem Strauch auf einem passenden Grundstück zu kümmern.
Ein Haus für „Familie Spatzenphilipp“
Auf zur nächsten Hausnummer: ein LBV-Nistkasten, den Heinrich Schneckenpointner vor vielen Jahren gemeinsam mit Peter Kirchgeorg aufgehängt hatte und den über die Jahre hinweg „Familie Spatzenphilipp“ als „kuscheliges Einfamilienhaus“ angemietet hatte. Franzi nimmt den Kasten vom Haken, Caecilia dreht den Riegel zur Seite und öffnet ihn. „Oh, das Nest ist ganz leer“, stellt Caecilia fest. Es riecht muffelig, feucht, das Dach ist undicht. „Den hängen wir nicht mehr auf, sondern nehmen ihn mit zu Karl. Der bringt den wieder in Ordnung.“
„Ob im neuen Kasten 12 wirklich eine Familie eingezogen ist?“, fragt Franzi und meint, das Einflugloch sei groß genug für Stare, und es ist auch etwas Nestmaterial eingetragen, aber besonders schön? „Ich höre, wie sie sich beratschlagen, sie wollen ja Noten für den Nestzustand vergeben“, denkt „Fräulein Meislinde“. Bevor die beiden Mädchen den Nistkasten wieder verschließen, bemerken sie im Nestmaterial einen versteckten Untermieter, eine Bandschnecke. Wie die wohl den Weg in den Vogelkasten gefunden hat? „Wollen wir nicht zu streng sein, eine Drei“, beschließen Caecilia und Franzi und benoten den Nistkasten. Es herrscht Einigkeit.
Ein Neubau für eine Haselmaus
Beim versteckten Holzbetonkasten Nummer 13 kommen sie schnell zum Ergebnis „Nest sauber, Note Zwei“, und schon geht es über die freie Wiese zurück in Richtung Wehrbau. Die letzten drei Wohnheime und dann noch ein Neubau für eine Haselmaus. Das Nest im Kasten 3 bekommt ebenfalls die Note Zwei. „Wollen wir den so belassen?“, beraten sich Caecilia und Franzi. Die beiden Mädchen machen zunächst einen unsicheren Eindruck, denn im Meisenkasten 2 erkennen sie drei große Nacktschnecken. „Die lassen wir drin, dann können wir im Frühjahr sehen, wie sie über den Winter gekommen sind.“
Die neue Wohnstube für eine Haselmaus haben die Mädchen schnell aufgehängt, nun bleibt nur noch der Ersatzkasten 1 an der Holzwand. Damit hat es aber eine besondere Bewandtnis: Diesen Nistkasten hat te ein fremder „Vogelliebhaber “ vom Haken ab- und mitgenommen, einfach so. „Fräulein Meislinde“ erzählt: „Zufällig habe ich mitbekommen, wie die beiden Mädchen im Frühjahr den Diebstahl bemerkt haben und ein Versprechen abgaben.“ Caecilia und Franzi hatten angekündigt: „Wir sind sehr traurig, aber im Oktober hängen wir einen neuen Nistkasten auf, damit die Meiseneltern im Winter zunächst wieder einen Unterschlupf haben. Der Kohlmeisenpapa mit dem besonders breiten dunklen Bruststreifen wird sich freuen.“
„Vielen Dank und liebe Grüße von Fräulein Meislinde“
„Ich danke euch ganz lieb, auch im Namen meine Freunde und Freundinnen, mit denen ich im Frühjahr meine ersten Flugversuche gemacht habe, und freue mich auf das Wiedersehen in wenigen Wochen, wenn ihr uns im Winter mit Meisenknödel und Energieriegel wieder am Alzkanal verwöhnt“, zwitschert „Fräulein Meislinde“. „Es hat mir richtig Spaß gemacht, euch zu beobachten, vielen Dank und liebe Grüße von Fräulein Meislinde.“
Und für alle anderen Vogelfreunde? Schönberger gibt einen Tipp: „Für die Reinigung der Nistkästen in den privaten Gärten ist es noch nicht zu spät, aber es ist nun an der Zeit.“
− red/fam
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