Das Traunsteiner Rathaus öffnet am Mittwoch, dem Abend vor dem Tag der Deutschen Einheit, seine Türen für die „Lange Nacht der Demokratie“. 2021 hatten die Volkshochschule Traunstein (vhs) und das Katholische Bildungswerk Traunstein (KBW) ein vielseitiges Programm auf die Beine gestellt, das auf große Resonanz stieß. Angespornt vom Erfolg haben die beiden Organisationen auch heuer wieder ein abwechslungsreiches Programm vorbereitet.
Die Veranstaltung, die alle zwei Jahre in über 30 bayerischen Kommunen stattfindet, rückt Themen rund um Demokratie und gesellschaftliche Mitbestimmung in den Mittelpunkt. Angesichts der aktuellen Herausforderungen, vor denen die demokratischen Werte in Deutschland und Europa stehen, bietet die Nacht eine wertvolle Plattform für den Austausch. Sie schafft Raum für Diskussionen und die Entwicklung gemeinsamer Lösungen.
Alt-OB Fritz Stahl beleuchtet den Wiederaufbau nach 1945
Der Abend startet um 16.30 Uhr mit einem musikalisch umrahmten Sektempfang. Alle Interessierten sind willkommen. Die Eröffnung übernehmen Altoberbürgermeister und vhs-Vorsitzender Manfred Kösterke, Oberbürgermeister Dr. Christian Hümmer und KBW- Vorsitzender Ewald Kleyboldt. Ab 18 Uhr beginnt das Vortragsprogramm.
Von 18 bis 19 Uhr hält Gerhard Waschin im Schrannensaal einen Vortrag zur Entwicklung unseres Rechtsverständnisses von der Zeit vor rund 4000 Jahren bis zur Neuzeit. Er geht unter anderem auf Thesen von Charles Darwin und die Präambel aus der Lex Baiuvariorum ein. Parallel dazu wird Altoberbürgermeister Fritz Stahl im Rathaussaal über den Wiederaufbau nach 1945 sprechen. Anhand von Beispielen aus Traunstein verdeutlicht er die verheerenden Folgen, die durch Gewalt und Krieg entstehen und welche langen Anstrengungen nötig waren, um das Leben wieder lebenswert, menschenwürdig und demokratisch zu gestalten.
Die Bedeutung der Toleranz in der Demokratie
Der Philosoph Dr. Stefan Schmitt äußert sich ab 19.15 Uhr zur Bedeutung der Toleranz in der Demokratie. „Toleranz“ steht für das gelten lassen von Überzeugungen anderer und gilt als eine der großen Errungenschaften der modernen westlichen Zivilisation und Demokratie. Untersuchungen zeigen aber, dass die Intoleranz in den politischen und kulturellen Diskursen zunimmt. Droht gar ein Ende der Toleranz? So stellt sich die Frage, was Toleranz bedeutet, warum sie so wichtig ist und wie weit sie gehen darf. Muss gar die Devise „Intoleranz der Intoleranz“ gelten?
Im Gefängnis gelingt der Ausstieg aus der Szene
Ein Höhepunkt an diesem Abend ist der Talk mit einem ehemaligen Neonazi, der ab 19.15 Uhr im Gespräch mit KBW-Geschäftsführer Tobias Trübenbach eindrucksvoll aus seinem bewegenden Leben erzählt. Er berichtet von seinem „Leben im braunen Sumpf“ und beantwortet Fragen, wie er trotz einer intakten Familie im ländlichen Sachsen zum radikalen Neonazi werden konnte und welche Umstände dafür verantwortlich waren, dass diese extreme Ideologie in ihm geweckt wurde. Die militante Neonazi-Szene prägte 15 Jahre seines Lebens, bis er schließlich zu einer fast dreijährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Doch ausgerechnet im Gefängnis, nach einem einschneidenden Erlebnis und durch zwei türkische Mitgefangene, gelang ihm der Ausstieg aus der Szene. Heute lebt er, 47-jährig, im süddeutschen Raum und engagiert er sich für Aufklärung und gegen rechtsextreme Ideologien. Im Anschluss haben Interessierte ab 20.30 Uhr die Möglichkeit, in einer Fishbowl-Gesprächsrunde mit dem Aussteiger ins Gespräch zu kommen. Die Diskussionsrunde wird von KBW-Mitarbeiter Hans Glück moderiert. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wird der Name des Gastes nicht genannt.
Zeitgleich ab 20.30 Uhr erläutert der Traunsteiner Journalist Axel Effner im Schrannensaal, wie Fake News die Demokratie gefährden. Propaganda, Wahlkampfbeeinflussung, fragwürdige „Original-Fotos“ aus Krisengebieten, gefälschte „Modefotos“ von Papst Franziskus – Fake News sind allgegenwärtig. Effner macht Hintergründe transparent, wie diese Falschmeldungen entstehen, wem sie nützen, wie man sich davor schützen kann und welche Rolle künstliche Intelligenz künftig bei der Verbreitung von Falschinformationen spielen könnte.
Vortrag und Workshop im Jugendzentrum
Um insbesondere junge Menschen für Politik und die Bedeutung der Demokratie zu sensibilisieren, bietet die Stadt Traunstein in Kooperation mit dem BayernLab von 19 bis 21 Uhr im Jugendzentrum am Stadtpark einen speziellen Vortrag zu Fake News für Jugendliche an. Das BayernLab gibt exklusive Einblicke in die Tricks und Täuschungsmanöver sowie wertvolle Hinweise, wie sich Jugendliche im Netz besser zurechtfinden und Informationen clever und kritisch hinterfragen können. Bereits ab 18 Uhr gibt es einen interaktiven Workshop zum Thema „Politische Entscheidungsfindung“, der vom Jugendprojekt W³ (Wissen, Werte, Wir) geleitet wird. Die Teilnehmer erfahren, wie politische Prozesse ablaufen, welche Faktoren bei Entscheidungen eine Rolle spielen und wie sie selbst aktiv am politischen Geschehen teilhaben können.
Zusätzlich können Besucher im offenen Museum die Sonderausstellung „100 Jahre Frauenwahlrecht“ besichtigen und an einem Gewinnspiel teilnehmen. Die Teilnahme an den Veranstaltungen ist kostenfrei.
Zu den Kommentaren