„Nie wieder Krieg!“ Die Forderung der Künstlerin und Pazifistin Käthe Kollwitz (1867- 1945) auf dem bekanntesten deutschen Anti-Kriegsplakat von 1924 bringt es für den Pettinger Franz Gröbner auf den Punkt. Er will „den medialen Ukraine-,Experten’, der ,Kriegstreiberriege’“, wie er sie nennt, „die mit Waffen Frieden erzwingen will“, widersprechen. Diese handelten ohne Diplomatie, konträr zu dem, was im Grundgesetz stehe. Eine Vielzahl Politiker aller Couleur hat der 75-Jährige schon angeschrieben, auch den Bundespräsidenten. Antworten: Fehlanzeige. „Kiesewetter, Röttgen und Hofreiter, da kam nichts“, so Gröbner. Zumindest äußerte sich FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann – ob Gröbner seinen Text denn auch an Putin geschickt habe.
Doch der Pettinger lässt nicht locker. Und so erhielt Strack-Zimmermann wieder Post. Die Kopie eines Briefes aus dem Jahr 1943, den er im Herbst bei einem Familientreffen von einer Cousine erhalten hatte. In diesem wurde seiner Oma, sie verstarb 1979, durch den Kompaniechef mitgeteilt, dass ihr Sohn Johann im Juni in Russland gefallen sei.
„Tapfer und treu die aufgebürdete Last tragen...“
„.... Die unangenehmste Pflicht als Kp. Chef zwingt mich, Ihnen eine tieftraurige Mitteilung machen zu müssen. Ihr Sohn Johann, der sich seit geraumer Zeit in unsicheren Reihen befand, wurde heute schwer verwundet. Kameraden und Sanitäter waren sofort zur Stelle und schafften Ihren Sohn zum Truppenverbandsplatz. Leider war die Verwundung so schwer, daß er auf dem Weg zum Verbandsplatz verstorben ist. Wir haben ihn heute inmitten seiner Kameraden im Heldenfriedhof in Ssakki, zwischen Demidow und Welisch, beerdigt. Liebe Frau Strehhuber! Diese paar Zeilen setzen Sie als seine Mutter in tiefe Trauer. Es wäre ein unmögliches Unterfangen, wollte ich versuchen, Sie zu trösten. Ich verstehe, da ich selbst Familienvater bin, der Angehörige im Einsatz stehen hat, das tiefe Leid. Aber nicht nur Sie verlieren viel, auch ich und die ganze Kompanie werden ihn nicht vergessen, war er doch ein tapferer Soldat und guter Kamerad. Grausig ist manchmal das Schicksal, nicht etwa bei Tag oder im Kampf ereilte ihn das tödliche Geschoß, sondern in finsterer Nacht durch eine verirrte Kugel. Wollten wir hadern oder gar verzweifeln am Schicksal, es hälfe doch nichts. Tapfer und treu müssen auch Sie versuchen, die aufgebürdete Last zu tragen. Unsterblich werden unsere gefallenen Kameraden und ein Mahner an die nachfolgende Generation sein. Treu und gläubig müssen wir zusammenhalten, auf daß der Sieg errungen werden kann und unsere Kameraden nicht umsonst ihr Leben für uns ließen. Sollten Sie irgendwie Auskunft benötigen, stehe ich gerne zur Verfügung. Die Nachlaßsachen gehen mit der nächsten Post ab. Mit der Versicherung innigster Anteilnahme im Namen der ganzen Kompanie verbleibe ich Ihr ergebener...“
Drei Millionen Wehrmachtsangehörige fielen im Zweiten Weltkrieg in den Ländern des ehemaligen Warschauer Pakts. Insgesamt verloren 5,5 Millionen deutsche Soldaten ihr Leben. Die Zahl der zivilen Opfer beträgt zwei Millionen.
Trauer, Ohnmacht, Wut, so beschreibt Franz Gröbner seine Gefühle, als er den Brief gelesen hatte. „Das hat mich ganz schön berührt. Das war mein Onkel, ein junger Mann, der mit 22 Jahren das Leben noch vor sich hatte.“ Und nun drohe die Kriegsmaschinerie wieder loszugehen. Mit seiner Großmutter hat der Pettinger nie über das Geschehen gesprochen. „Ich weiß nur, sie war eine herzliche Oma, mit Kindern hat sie umgehen können.“
„Unglaublich, wie die Angst geschürt wird“
Auf diesen zweiten Brief gab es von Strack-Zimmermann keine Antwort. Auch nicht vom stellvertretenden Chefredakteur, Kriegs- und Krisenreporter eines großen Blattes. „Die Presse hat heute sehr viel Macht“, sieht es Franz Gröbner. Leitmedien würden jedoch zu wenig nach Frieden suchen und diesen anmahnen. „Ich möchte, dass man wieder das Wort ,Frieden’ in den Mund nimmt.“ Es müsse zurück an den Verhandlungstisch gehen. „Man muss dagegenhalten, wenn Pistorius fordert, dass wir wieder ,kriegstüchtig’ werden. Ganz im Gegenteil! Friedenstüchtig, das ist das richtige Wort.“
Aber es funktioniere wieder. „Unglaublich, wie die Angst geschürt wird. Die Leute werden so manipuliert, dass sie nicht zum Nachdenken kommen.“ „Wenn man diesen Krieg beenden will, dann muss man aber das Ganze sehen“, sagt Franz Gröbner. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine habe ja auch eine Vorgeschichte. Als „Putin-Versteher“ bezeichnet zu werden, nur weil man auffordere, beide Seiten zu betrachten, das könne es ja nicht sein, so der 75-Jährige. Grundproblem sei die Nato-Osterweiterung entgegen der Absprache zwischen Kanzler Kohl und Präsident Gorbatschow. „In gutem Glauben sind damals 400 000 Russen abgezogen“, gibt der Pettinger zu bedenken. Man müsse auch ,Empathie für Russlands Sicherheitsbedürfnis haben’, wie es Gabriele Krone-Schmalz, langjährige ARD-Moskaukorrespondentin, formulierte. Schließlich habe Hitlerdeutschland Russland überfallen und nicht umgekehrt. 27 Millionen Russen ließen damals ihr Leben.
Angaben von „New York Times“ und „Wall Street Journal" zufolge starben bisher zwischen 114 000 und 200 000 russische Soldaten im Ukrainekrieg. Dazu kämen 400 000 Verletzte. Auf ukrainischer Seite werden demnach zwischen 57 000 und 80 000 tote Soldaten beklagt und 400 000 Verwundete.
„Bin ich ein Extremist, wenn ich auf der Suche nach Frieden bin?“, fragt Franz Gröbner. „Wer Waffen liefert, will Krieg, wer Frieden will, schickt Diplomaten“, zitiert er einen bekannten Spruch – und Georg Bernard Shaw: „Krieg ist ein Zustand, bei dem Leute, die sich nicht kennen, aufeinander schießen, auf Befehl von Leuten, die sich wohl kennen, aber nicht aufeinander schießen.“
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