Trostberg
„Alles ist vergänglich“

Viel Applaus für Kunstperformance von Hannes Seebacher im Trostberger Postsaal

29.05.2023 | Stand 29.05.2023, 19:00 Uhr

Installation im Postsaal: Hannes Seebacher rückt die Köpfe über den Eisstelen zurecht. −Fotos: Limmer

14.48 Uhr: Der letzte Tonkopf der Installation „Land of the false King“ auf der Bühne des Postsaals in Trostberg (Landkreis Traunstein) fällt. Der 15-Kilo-Kopf mit einem Fantasieaufbau aus Hölzern, Rädern, Fisch und Fahrzeug hält den Eisstelen nach einer halben Stunde nicht mehr stand, fällt und zerbirst in seine Einzelteile. „Es ist vollbracht“, sagt Künstler Hannes Seeberger erleichtert. „Ich hätte gedacht, es dauert länger. Bei einem Probeversuch hat es eine Dreiviertelstunde gedauert“, erklärt Seebacher, der seine eigene Aktion mit Spannung verfolgt und jeden Schritt akribisch dokumentiert. „Wenn es vorbei ist, bleibt nur die Erinnerung“, richtet er sich am Sonntagnachmittag an etwa 30 Anwesende im Postsaal.

„Ich weiß nicht genau, was passiert“

Um 14 Uhr hatte er mit dem Aufbau seiner Installation begonnen. Er holte die Isobox und packte die 24 etwa vier Zentimeter dicken und 20 Zentimeter langen Eisstelen aus, stellte sie auf die Säulen, setzt eine Platte darauf und dann seine Tonköpfe vorsichtig darüber. Er war sichtlich aufgeregt, erklärte um 14.18 Uhr seine Aktion für eröffnet und sagte: „Ich weiß nicht genau, was passiert.“ Die Besucher der Kunstmeile, die für die Aktion eigens gekommen sind, verfolgten die Szenerie gespannt.
„Die großen Köpfe müssen rollen“ – seine Vision, die er vor vielen Jahren in Berlin hatte, hat sich nun bühnenwirksam erfüllt. „Die Köpfe sind hier symbolisch für den Verstand“, erklärt er. „Die Körper, die Podeste, stehen eigentlich für die Körperlichkeit. Die Aufbauten sind kopfgebunden. Sie sind Ideen, Auswürfe, Träumereien, Dinge, die entstehen. Ideen, an denen wir festhalten und mit denen wir zu sehr nach oben streben und den Bezug zur Erde verlieren“, sagt Seeberger weiter. Und die Köpfe rollten, wenn auch nur in Trostberg.
Die Verbindung zum Eis führt er auf seine Grönlandreise mit dem Blick auf die Skulpturen der Eisberge zurück. Auch wenn es nahe liegen mag: Den Klimawandel spart er dennoch aus. „Die Erde ist immer schon gewissen Rhythmen unterlegen. Die Natur hat selbst ihren Rhythmus und Takt.“ Das Eis sieht er als Systeme, die instabil werden, sich verdrehen und brechen.
„Ich mache das nicht, um Dinge zu zerstören, es mutwillig zu zerstören. Doch wenn der Moment kommt und es passiert, auch hier etwas zu finden – das hat mich am meisten beeindruckt“, sagt der 54-jährige gebürtige Kufsteiner, der momentan vor allem in Kiefersfelden lebt und arbeitet. Und verfolgt selbst gespannt, was passiert. Das Eis schmilzt, tropft die Säulen herunter. Die Eisstelen verdrehen sich, winden sich unter der Last der Köpfe. Der Halt fehlt, und die Köpfe, einer nach dem anderen, stürzen mit lautem Getöse auf den Boden der Postsaalbühne, zerbersten, bleiben in ihren Einzelteilen liegen.

„Etwas machen, wo ich selbst Schmerzen empfinde“

„Für mich hat es nur Sinn gemacht, die Köpfe zu machen, wenn ich weiß, ich steck’ so viel Herzblut in die Köpfe rein, wie ich kann“, sagt Seebacher. „Sonst wäre die Aktion umsonst. Wenn ich Müll raufstellen würde, wäre es sinnlos. Deshalb habe ich gewusst, ich muss etwas machen, wo ich selbst Schmerzen empfinde, wenn ich loslassen muss.“
Dann liegen sie am Boden, die sechs Köpfe. Den letzten mit einem Autoaufbau vergleicht Seebacher mit der Autoindustrie, den Aufsichtsräten und dem Nicht-wissen-wohin. Die Einzelteile im Raum, der mit Holzlatten als Quader begrenzt ist, verstreut, dazwischen das schmelzende Eis. Ein trauriger Blick Seebachers auf seine Werke und Applaus von den Zuschauern. „Alles ist vergänglich“, meint er und hat schon wieder die nächste Idee im Kopf.