Traunstein
Wechsel an der Spitze der Jugendkammer am Landgericht

01.09.2020 | Stand 21.09.2023, 3:27 Uhr
Monika Kretzmer-Diepold

Vorsitzende Richterin Heike Will folgt auf Dr. Klaus Weidmann (rechts), der bisher an der Spitze der Ersten Strafkammer und der Jugendkammer am Landgericht stand. Landgerichtspräsident Professor Dr. Ludwig Kroiß dankte gab beiden die besten Wünsche mit für den jeweils neuen Lebensabschnitt. −Foto: Kretzmer

An der Spitze der Jugendkammer sowie der Ersten Strafkammer am Landgericht Traunstein steht nun eine Frau. Vorsitzende Richterin Heike Will ist Nachfolgerin von Dr. Klaus Weidmann, der zum 31. August in den Ruhestand wechselte. Landgerichtspräsident Prof. Dr. Ludwig Kroiß sprach von einem "schweren Verlust für die Traunsteiner Justiz" durch das Ausscheiden von Dr. Weidmann. Andererseits freue er sich, dass Frau Will diese anspruchsvolle neue Aufgabe übernehme. Beiden gab der Präsident seinen Dank und seine besten Wünsche mit auf die neu eingeschlagenen Wege.
Nach Worten des Präsidenten stand Dr. Klaus Weidmann über 40 Jahre in Diensten der bayerischen Justiz. Der gebürtige Augsburger absolvierte in seiner Heimatstadt das Studium der Rechtswissenschaften, widmete sich bereits dort insbesondere auch internationalem und europäischem Recht. Darunter waren britisches Recht mit Vorlesungen in englischer Sprache und der Menschenrechtschutz. Seine Kenntnisse intensivierte Weidmann an der Universität Straßburg bei einem einjährigen Studienaufenthalt Anfang der 1980-er Jahre, wobei der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Schwerpunkt bildete. Das Thema vertiefte er in seiner Promotion.

Als Richter am Landgericht Traunstein, zunächst in einer Zivilkammer, begann Dr. Weidmanns berufliche Laufbahn im Mai 1983. Weitere Erfahrung sammelte er bei der Staatsanwaltschaft Traunstein ab September 1984. In dieser Zeit lernten sich der jetzige Landgerichtspräsident und Dr. Weidmann kennen und schätzen. Sie arbeiteten etwa als gegenseitige Vertreter eng zusammen. In die Sechste Strafkammer am Landgericht kam Weidmann im Oktober 1990 als Kammermitglied. Wie im Freistaat nicht ungewöhnlich, kehrte er als Gruppenleiter zwischen Februar 1998 und August 2005 nochmals zurück zur Staatsanwaltschaft. Danach folgte die Ernennung zum Vorsitzenden Richter am Landgericht. Gleichzeitig übernahm Dr. Weidmann die Dritte Strafkammer, die mit Berufungen gegen Urteile der Amtsgerichte in der Region Südostbayern befasst ist.

Ab Januar 2012 führte er neben der Ersten Strafkammer für Erwachsene die Jugendkammer, zuständig für Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende sowie für Jugendschutzverfahren, in denen es um junge Opfer geht. In diesen mehr als acht Jahren saßen Täter "vom Ladendieb bis zum Mörder" auf der Anklagebank. In besonderer Erinnerung blieb Dr. Klaus Weidmann das Schwurgerichtsverfahren gegen einen 20-jährigen Ex-Soldat, der in der Nacht des Fußball-WM-Finales am 14. Juli 2014 mitten in Bad Reichenhall einen 72-jährigen Rentner mit 29 Stichen getötet und eine damals 17-jährige Auszubildende schwerst am Kopf verletzt hatte. Die Jugendliche überlebte, verlor aber die Sehkraft auf einem Auge. Viel Aufsehen erregten auch die unter enormen Sicherheitsvorkehrungen durchgeführten Verfahren gegen Juwelierräuber aus Litauen und deren Hintermänner.

Die Jugendkammer weiß Dr. Weidmann bei seiner Nachfolgerin "in guten Händen", wie er betonte. Nach dem Rückzug aus den Beruf freut er sich auf mehr Zeit mit der Familie und für seine sportlichen Aktivitäten. Erstes Projekt wird jedoch sein, die Sprachkenntnisse in Italienisch und Spanisch aufzupolieren. Außerdem will er im sozialen Bereich mehr ehrenamtliche Arbeit offerieren, zum Beispiel bei der Kindernothilfe, für die er sich seit Jahrzehnten engagiert.

Die gebürtige Wolfsburgerin Heike Will landete über die Zentrale Vergabestelle zum Studium der Rechtswissenschaften in Regensburg. Nach einem überragenden Examen in der ersten Staatsprüfung, dem Referendariat am Landgericht Regensburg und der zweiten Prüfung startete sie ihre juristische Karriere im November 1990 als Richterin am Amtsgericht Regensburg. Das in den 1990-er Jahren neu gegründete Landgericht in Ingolstadt bildete ab Oktober 1994 die nächste Herausforderung. Am Amtsgericht Ingolstadt war Will ab Mai 1996 Jugendrichterin und Vorsitzende des Jugendschöffengerichts. Von Anfang 2006 bis April 2009 wirkte sie als "Staatsanwältin als Gruppenleiterin" in Ingolstadt. In der gleichen Funktion war sie ab Mai 2009 zweieinhalb Jahre bei der Staatsanwaltschaft Traunstein tätig. Die Ernennung zur Vorsitzenden Richterin der Dritten Strafkammer am Landgericht im Januar 2012 bedeutete einen weiteren Sprung nach oben. Mit der Ersten Strafkammer und der Jugendkammer, einem der bedeutendsten Gerichte in Traunstein, winken neue Aufgaben und große Verantwortung. Dazu der Landgerichtspräsident: "Ich bin sehr froh, Frau Will als Nachfolgerin von Herrn Dr. Weidmann zu haben. Insbesondere die Jugendkammer ist verbunden mit einem hohen Maß an Einfühlungsvermögen." Für einen Monat leitet Heike Will übergangsweise auch noch ihre bisherige Dritte Strafkammer.

Am Rande informierte Professor Dr. Kroiß, am Landgericht Traunstein sei der reguläre Betrieb trotz Corona auf dem Laufenden. Die schnell realisierten Schutzmaßnahmen hätten gegriffen: "Wir haben als eine der ersten Behörden in Bayern alles Notwendige in kürzester Zeit umgesetzt."